
Louis Spohr’s opera Faust at the Royal Italian Opera in London, conducted by the composer.
Image: The Illustrated London News Supplement, 31 July 1852.
LOUIS SPOHR, der Opernkomponist
Zehn Opern hat er komponiert. Sie werden von Hexen und Zauberern, Kreuzrittern und Berggeistern, Liebespaaren und Intriganten, Eulenköniginnen und Alchimisten bevölkert. In längst vergangene Zeiten und sagenumwobene Landschaften, nach Indien, Spanien, Flandern, Deutschland, Italien und in die Türkei führt uns diese Opernreise mit dem Komponisten Louis Spohr.
Er wird begleitet von namhaften Sängern, Orchestern und Dirigenten mit musikalischen Beispielen aus seinen zehn Opern.
Diese Entdeckungsreise ist zugleich ein Stück Operngeschichte, denn Spohr kann – neben Carl Maria von Weber - zu Recht als Wegbereiter des romantischen Musikdramas bezeichnet werden.
„Die Oper ist völlig irrational und dem Urquell des Theaters am nächsten“ hat Gustav Gründgens einmal gesagt. Voltaire aber hat spottend formuliert: „Was zu albern ist, um gesprochen zu werden, das lässt man singen!“
Sich mit Inhalt und Form der Oper, diesem „unmöglichen Kunstwerk“, auseinander zu
setzen, war für Louis Spohr stets eine Herausforderung, der er sich selbstkritisch, zugleich aber auch mit großer Lust und Intensität, gestellt hat.
Einige seiner Libretti befassen sich mit brisanten politischen und gesellschaftskritischen Themen, deren musikalische Behandlung Erstaunliches über den seiner Zeit vorauseilenden Opernkomponisten Spohr zu Tage fördert.
In unserem Vortrag werden die zehn Opern Spohrs behandelt:
DIE PRÜFUNG WoO [Werk ohne Opuszahl] 48 Singspiel in einem Akt.
ALRUNA, die Eulenkönigin WoO 49 Grosse Romantische Oper in drei Aufzügen.
DER ZWEIKAMPF MIT DER GELIEBTEN WoO 50. Oper in drei Aufzügen.
FAUST WoO 51 Romantische Oper in zwei Aufzügen.
FAUST WoO 51a Grosse Oper in drei Aufzügen.Italienische Übersetzung von S. Manfredo Maggioni. Neufassung mit Rezitativen 1852 in London.
ZEMIRE UND AZOR WoO 52 Romantische Oper in zwei Aufzügen.
JESSONDA WoO 53 Grosse Oper in drei Aufzügen.
DER BERGGEIST WoO 54 Romantische Oper in drei Aufzügen.
PIETRO VON ABANO WoO 56 Romantische Oper in zwei Aufzügen.
DER ALCHYMIST WoO 57 Romantische Oper in drei Aufzügen.
DIE KREUZFAHRER WoO 59 Grosse Oper in drei Aufzügen.
Siehe dazu die Abbildung ganz oben: Figurinen zur Oper DIE KREUZFAHRER. Kreidelithographie, koloriert, um 1850.
Bilderbogen (Mainz, E.Linn & Co.). Druckgraphik. Privatsammlung.
Louis Spohr: Portrait um 1830 - zur Zeit der Uraufführung seiner Oper DER ALCHYMIST in Kassel.
Libretto nach der Novelle des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving The Student from Salamanca.
Libretto nach der Novelle des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving The Student from Salamanca.

Bühnenbilder zur Berliner JESSONDA-Aufführung, 1824: Tempelhalle und Lager der Portugiesen.
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Susan Owen-Leinert / Michael Leinert
„Seid mir gegrüßt, ihr theuren Hallen“
Eine Entdeckungsreise durch Louis Spohrs vergessene Opern,
basierend auf einem Vortrag mit musikalischen Beispielen vom 11. November 2014 im Städtischen Museum Braunschweig,
veranstaltet von der BraunschweigischenLouis-Spohr-Gesellschaft e.V.
Same day, night. – We passed a happy day. […] We took our lunch to Mulgrave
Woods, Mrs. Westenra driving by the road and Lucy and I walking by the cliffpath
and joining her at the gate. […] In the evening we strolled in the Casino
Terrace, and heard some good music by Spohr and Mackenzie, and went to bed
early. I shall lock the door and secure the key, though I do not expect any trouble
to-night.[1]
Die „schöne Musik“ von Louis Spohr (zusammen mit der des schottischen Komponisten Alexander MacKenzie) wird in dem 1897 erschienenen Roman Dracula des irischen Schriftstellers Abraham (Bram) Stoker im 8. Kapitelgenannt. In der 613-seitigen, ausführlich kommentierten Prachtausgabe des Dracula, 2008 herausgegeben von Leslie S. Klinger in New York, gibt es
parallel auf der eben zitierten Seite 161 sogar eine Biografie mit dem Bild des Komponisten!
Die große Beliebtheit der beiden Komponisten-Freunde Felix Mendelssohn Bartholdy und Louis Spohr ist bis heute in England ungebrochen. Erinnert sei hier an eine humorvolle Erwähnung zu Louis Spohr in Gilbert and Sullivans komischer Oper
The Mikado im 2. Akt:
"The music-hall singer attends a series
of masses and fugues and ‚ops’
by Bach, interwoven
with Spohr and Beethoven,
at classical Monday Pops."
Das englische Publikum ist auch heute noch ziemlich vertraut mit dem Werk Louis Spohrs, ganz anders ist das in seinem Heimatland.
Und vielleicht ist sein Name im Zusammenhang mit der Vampirgeschichte Dracula gar nicht einmal somerkwürdig, wie es uns heute erscheinen mag. Die Opern Alruna, die Eulenkönigin,Faust, Zemire und Azor, Der Berggeist, Pietro von Abano und Der Alchymistbehandeln, wie Webers Der Freischütz und Heinrich Marschners Der Vampyr, okkulte Themen und Geistererscheinungen.
Auch der Titel unserer Entdeckungsreise durch Louis Spohrs Opern stammt aus einer „okkulten“ Oper des Kasseler Hofkapellmeisters und Komponisten, die unter anderem das brisante Thema der Leichenschändung im mittelalterlichen Padua behandelt.
„Seid mir gegrüßt, ihr theuren Hallen“:
Mit dieser ersten Zeile beginnt Louis Spohrs Oper Pietro von Abano, komponiert und uraufgeführt im Jahre 1827 in Kassel. Die ersten vier Text-Zeilen von Spohrs Oper würden rhythmisch- syllabisch genau auf Elisabeths „Hallenarie“ im Tannhäuser passen … was für ein Zufall!
Bei Spohr ist es allerdings ein Mann, der diese "Hallenarie" singt.
Antonio ist nach Padua zurückgekehrt, um seine geliebte Cäcilia wiederzufinden:
"Seid mir gegrüßt, ihr theuren Hallen,
wo die Geliebte meines Herzens wohnt;
Wo sie des fernen Freundes treu gedachte,
wo liebend sein, ihr Auge harrt!"
Doch kehren wir jetzt erst einmal zurück zu den Anfängen des damals 12-jährigen Komponisten. Er schreibt in seinen Lebenserinnerungen:
Mein erster glänzender Erfolg in der Komposition – mit Duetten für zwei Violinen – hatte mich so begeistert, dass ich von nun an fast alle Stunden, die mir die Schule frei ließ, mich ähnlichen Versuchen widmete; ja ich wagte mich sogar an
eine kleine Oper, deren Text ich aus dem Weißeschen Kinderfreund nahm.
Charakteristisch mochte es sein, dass ich bei dem Titel begann und diesen vor allen Dingen mit Tusche erst recht schön ausmalte; dann folgte die Ouvertüre, dann ein Chor, dann noch eine Arie, bei der dann aber die Arbeit ins Stocken geriet. [2]
Erst zehn Jahre später, als Zweiundzwanzigjähriger, hat sich Spohr wieder der Opernkomposition zugewandt. Zwischen Oktober und Dezember 1806 hat er seine erste Oper Die Prüfung WoO 48 komponiert. Spohrs Opern-Erstling ist in einer Zeit großer kriegerischer Unruhen – nach der Schlachtbei Jena und Auerstedt – in Gotha entstanden. Das Libretto stammt von Spohrs Onkel, Eduard Henke, einem Bruder seiner Mutter. Die Operette, wie
der Spohr-Forscher Göthel den Opernerstling in Spohrs Werkverzeichnis nennt, besteht aus einer Ouvertüre und acht musikalischen Nummern für zwei Sopranistinnen, einen Tenor und einen Bass. Sie ist in jeder Hinsicht von Mozart inspiriert, man könnte sie, vom Textbuch her, fast als eine Miniatur-Imitation von Mozarts Cosi fan tutte bezeichnen. Es geht um das beliebte Thema der „Liebesprobe“:
Werden sich die Liebenden, trotz verlockender Versuchungen,treu bleiben?
Die Uraufführung fand konzertant in Gotha bei einem Hofkonzert statt. Nur die Ouvertüre ist gedruckt erschienen, denn Spohr hat die Komposition – selbstkritisch, wie er war – nicht für gut genug befunden, um sie einer Bühne für eine szenische Aufführung anzubieten.
Das Autograph befindet sich heute in Kassel im Besitz der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft, die gesprochenen Dialoge existieren dagegen nicht. Sie sind wahrscheinlich nie geschrieben worden. Spohr hat die Ouvertüre auf einer Konzertreise auch außerhalb Gothas bekannt gemacht, so z.B. am 27. Oktober 1807 im Leipziger Gewandhaus. Im Verlag Simrock in Bonn ist die Ouvertüre als op. 15 im Druck erschienen. Aber auch Spohrs zwei Streichquartette in Es-Dur und D-Dur tragen diese Opuszahl. Es ist anzunehmen, dass die von Spohr vorgeschlagene Korrektur in op. 14 wohl vom Verlag nicht mehr berücksichtigt werden konnte, deshalb hat die Ouvertüre später die Opuszahl 15a bekommen. [3]
Dem Spohr-Experten und Dirigenten Christian Fröhlich, der zugleich als Präsident der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft amtiert, werden wir im Laufe unseres Beitrags noch des Öfteren begegnen. Er ist ein profunder Kenner und Förderer der Werke von Louis Spohr. Seine Einspielung mit sieben Opern-Ouvertüren und der Ouvertüre op. 75 zu Shakespeares Macbeth sowie die Gesamtaufnahme von Spohrs vergessener Oper Der Alchymist belegen dieses Engagement auf überzeugende Weise. Aber auch der erfolgreich absolvierte „Spohr-Marathon“, den er zusammen mit dem Violinvirtuosen Ulf Hoelscher und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin vor einigen Jahren unternommen hat, ist beeindruckend: 18 Violinkonzerte, dazu die Concertante op. 48 und op. 88 für zwei Violinen und Orchester.
Alruna, die Eulenkönigin WoO 49, Spohrs zweite Oper (1808 komponiert), ist ein Märchenstoff, wie die damals beliebten Operntitel Das Donauweibchen, Melusine oder Undine.
Die Ähnlichkeit zwischen der Eulenkönigin Alruna und Mozarts Königin der Nacht ist unverkennbar: Alrunas imponierende Koloraturpassagen am Ende der Nummer 5 belegen das. Die große Verehrung für sein Vorbild Mozart wurde von Spohr keineswegs verheimlicht: Die Arie Nr. 13 mit der Liebesklage der Berta ist Paminas Arie „Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden“ ausdrücklich nachempfunden. Die musikalische Charakterisierung der Personen und Spohrs Bestrebungen, die Handlung durch Erinnerungsmotive
zusammenzuhalten, sind in dieser zweiten Oper bereits erkennbar und lassen den Schluss zu, dass der Komponist auf dem Weg ist, ein veritabler Opernkomponist zu werden.
Nur die Ouvertüre zu Alruna ist 1811 als op. 21 im Druck erschienen, denn Spohr war auch hier wieder sehr selbstkritisch mit seinem zweiten musikdramatischen Versuch. Die Oper ist einmal, im August 1809, in Weimar mit Sängern in einer kompletten Orchester-Sitzprobe, in der Anwesenheit von Goethe und dem Dichter Christoph Martin Wieland, vorgestellt worden und dann sozusagen in der Versenkung verschwunden. Johann Wolfgang von Goethe, der legendäre Theater-Direktor des Weimarer Hoftheaters, war zwar durchaus von Spohrs Musik angetan, die zum Teil von Mozarts Die Zauberflöte und Don Giovanni inspiriert ist, kritisierte aber die nach seiner Ansicht viel zu langen und umständlich im antiken Versmaß geschriebenen Dialoge eines uns unbekannten Autors: „ein junger Dichter, ein Kandidat der
Theologie, der in Gotha seiner Anstellung harrte“, wie Spohr in seinen Lebenserinnerungen schreibt. [4]
Das Autograph der Oper – die handschriftliche Partitur – befindet sich heute in den Vereinigten Staaten, in der Boston Public
Library. [5]
Schon ein Jahr später sollte Louis Spohr eine Chance erhalten, endlich eine Oper in szenischer Aufführung auf die Bühne zu bringen. Er gehörte zu den vier ausgewählten Komponisten, die im März 1810 eingeladen wurden, ein Opernlibretto für das Hamburger Theater zu vertonen. Der bekannte Hamburger Theaterdirektor Friedrich Ludwig Schröder (1744–1816) wollte mit diesen Kompositionsaufträgen die deutschsprachige Oper tatkräftig und nachdrücklich fördern. Spohrs Oper Der Zweikampf mit der Geliebten WoO 50 erlebte ihre Uraufführung am 15. November 1811 unter der musikalischen Leitung des Komponisten, genau ein Jahr nach ihrer Vollendung.
Es war damit Spohrs erste, auf einer Bühne inszenierte Oper.
Das Libretto stammt von Johann Friedrich Schink (1755–1835), nach einer Vorlage aus dem Spanischen des Dichters Francisco Antonio de Bances y López-Candamo (1662–1704). Spohr hat übrigens in seine neue Oper einige musikalische Themen aus Alruna übernommen und eingearbeitet.
Bemerkenswert sind seine Bestrebungen, in dieser Oper eine durchkomponierte Form zu etablieren. So schafft er ganze Szenenfolgen ohne ein gesprochenes Wort. Die Handlung der Oper, die in und um Brüssel im 16. Jahrhundert spielt und einem Shakespeare-Stoff nachempfunden sein könnte, fassen wir hier kurz zusammen:
Der hitzköpfige spanische Edelmann Enrique hält seine Braut Isabella für untreu und reist an den Hof der Pfalzgräfin Mathilde nach Brüssel. Er wird von einem fremden Ritter aus den Händen von Räubern befreit. Es ist niemand anderer als Isabella, die ihm in Männerkleidern nachgereist ist. Sie nimmt ihm das Versprechen ab, ihre Identität nicht zu verraten – und so kommt es zu Missverständnissen, Eifersüchteleien und Rivalitäten, denn die Gräfin Mathilde findet an dem jungen Ritter, der sich als Don Rosardo ausgibt, großen Gefallen. Enrique, der Isabella immer noch liebt, wird in eifersüchtige Streitereien verwickelt – schließlich fordert ihn Isabella in der Gestalt des Don Rosardo zum Duell. Doch durch eine List des Dienerpaares Decio und Lauretta kann das Duell in letzter Sekunde verhindert werden. Es
siegt – wie so oft in der komischen Oper – schließlich doch noch die Liebe!
Leider ist auch von dieser dritten Oper Spohrs bisher kein Mitschnitt erschienen, aber es gibt eine Aufnahme der Ouvertüre mit dem Orchestra della Svizzera Italiana und dem Dirigenten Howard Shelley. [6]
„Meine erste Arbeit [in Wien] nach der Rückkehr von Gotha – war die Komposition des Faust. Ich hatte vor der Reise einen anderen Stoff im Auge, den mir Theodor Körner als Oper bearbeiten wollte […] wozu ich ihm die Sage von Rübezahl Vorschlug“, schreibt Spohr in seinen Lebenserinnerungen. [7]
Spohr hatte 1813 in Wien den erfolgreichen, 22-jährigen Hoftheater-Dichter kennengelernt. Aus der geplanten Zusammenarbeit mit Körner ist dann aber zu Spohrs großem Bedauern nichts geworden: Aus glühender Begeisterung für den deutschen Befreiungskampf gegen Napoleon trat Körner in Lützows Kavallerie-Korps ein. Wenige Monate später ist er bei einem Gefecht ums Leben gekommen.
In Carl Bernhard, dem Herausgeber der damals einflussreichen Zeitschrift Thalia und dem Textdichter von Konradin Kreutzers Oper Libussa, hat Spohr dann den Librettisten für seine Faust-Oper gefunden.
Es ist schon bemerkenswert, dass der Faust-Mythos zuerst als Oper auf die Bühne gelangte. Goethes 1808 veröffentlichtes Schauspiel Faust I wurde erst zwei Jahrzehnte später szenisch, in einer Bearbeitung, in Braunschweig am 19. Januar 1829 uraufgeführt.
Die erste Faust-Oper, die dauerhafte Wirkung erlangte, ist demnach die von Louis Spohr.
Zwar kennen wir früher datierte Opern dieses Sujets, zum Beispiel die von Ignaz Walter, bereits 1797 komponiert und in Bremen uraufgeführt – aber erst mit Louis Spohrs Oper wird der Faust-Mythos auf der Opernbühne wirkungsvoll etabliert.
„In Sinnenlust so sinnlos leben!“ Mit dieser programmatischen Zeile beginnt Spohrs Faust. Die Szenenangabe im Klavierauszug lautet: Ein Menuetto – eine Tanzmusick auf dem Theater und leitet in die erste Szene der Oper über. [8]
Eigentlich hätte die 1813 komponierte „Romantische Oper in zwei Aufzügen“ im Theater an der Wien aufgeführt werden sollen. Aber die üblichen Wiener Theater-Intrigen und ein Streit zwischen dem Intendanten und dem Komponisten ließen das Projekt scheitern.
Am 1. September 1816 dirigierte der Kapellmeister des Prager Ständetheaters Carl Maria von Weber die erfolgreiche Uraufführung. Bis Ende des 19. Jahrhunderts ist dann Spohrs Faust auf allen deutschen und vielen europäischen Bühnen zu erleben; 1852 auf Wunsch von Königin Viktoria auch in London in italienischer Sprache, in einer aus diesem Anlass neu komponierten dreiaktigen Rezitativ-Fassung. Damit hat Spohr die dem deutschen Singspiel nahestehende Form mit gesprochenen Dialogen verlassen und sich der großen romantischen Oper zugewandt.
Bereits in der Ouvertüre stellt Spohr die drei wichtigsten Leitmotive vor:
Im Höllenmotiv, im Liebesmotiv und im Zwiespaltmotiv wird Fausts Schicksal musikalisch angekündigt. Carl Maria von Weber hat diese Motiv-Technik bewundert und schrieb dazu in seiner Publikums-Einführung zur Premiere:
Glücklich und richtig berechnet gehen einige Melodien wie leise Fäden durch
das Ganze und halten es zusammen. In dieser Beziehung wird die effektvolle
Ouvertüre erst nach dem Anhören der Oper ganz verständlich …. [9]
Erstmals in der Geschichte der Oper wird in der Partitur von Louis Spohrs Faust eine Orgel als Bühneninstrument vorgeschrieben. Das Adagio Nr. 12 ist für die Orgel als Soloinstrument komponiert.
Die Szene vor und in dem Aachener Dom im zweiten Akt wird damit auch musikalisch realistisch installiert.
In Spohrs Oper finden sich eindeutig die Ursprünge für ein musikalisches Element, das später als „Leitmotiv“ bezeichnet wurde und vor allem durch Richard Wagner zum kompositorischen Prinzip erhoben wurde. Das belegen bereits die im Wiener Textbuch von 1814 veröffentlichten Angaben des Komponisten.
Carl Bernhards wirkungsvolles Libretto schöpft aus mehreren Quellen: dem alten Faust-Volksbuch, der Historia des Doktor Faustus, dem
Puppenspiel Faust und Maximilian Klingers Roman Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt (1791). Aber auch Kleists Käthchen von Heilbronn hat Einflüsse hinterlassen: in der Gestalt des Ritterfräuleins Kunigunde und des Gretchen – in Spohrs Oper heißt sie Röschen und hat einige Wesenszüge des Käthchen.
Die Kenntnis des Ersten Teils von Goethes Faust setzen Bernhard und Spohr beim Opernbesucher voraus, ohne das dramaturgisch oder szenisch zu begründen.
Zwei Jahre nach der Prager Uraufführung konnte Spohr als Frankfurter Operndirektor seinen Faust zum ersten Mal hören: Er hat die Frankfurter Premiere dirigiert. Für diese Neuinszenierung hat Spohr eine zusätzliche Arie komponiert und sie dann 1852 in die Londoner Fassung seiner Oper aufgenommen.
Die neue Arie des Faust „Der Hölle selbst will ich Segen entringen – Liebe ist die zarte Blüte“ gehört seit der Frankfurter Erstaufführung
zum festen Bestandteil der Oper. [10]
Der Held ist zum Untergang bestimmt, da gibt es kein sinngebendes Schluss-Sextett wie z.B. in Mozarts Don Giovanni. Die Oper endet konsequent tragisch – doch keineswegs sentimental: Röschen verübt Selbstmord, Kunigunde verfällt in Depressionen. Faust ist allein und fährt zur Hölle. Mephisto triumphiert. Also keine klassische, sondern eine romantische Ritter- und Schauergeschichte, in der es für Faust keine Erlösung gibt: „Hölle frohlocke!“ [11]
Der Generalmusikdirektor der Berliner Oper, Giacomo Meyerbeer, hat die Faust-Oper seines Freundes Louis Spohr am 28. Juni 1843, 14 Jahre
nach ihrer Berliner Erstaufführung, wieder in den Spielplan aufgenommen. Die erfolgreiche Premiere, mit Meyerbeer am Pult, bestätigte nachhaltig die ungebrochene Wirksamkeit dieser Oper.
Wie viele Komponisten war auch Spohr ständig auf der Suche nach einem veritablen Opernstoff. Er glaubte, ihn in der Erzählung Der Freischütz. Eine Volkssage aus dem ersten Band des Gespensterbuchs von Apel und Laun gefunden zu haben. Zusammen mit Georg Döhring, einem Oboisten aus dem Frankfurter Opernorchester, schrieb er das Textbuch zu seiner neuen Oper Der Schwarze Jäger. Als er aber von der Sängerin Wilhelmine Schröder- Devrient zufällig erfuhr, dass Carl Maria von Weber bereits den ersten Akt einer Oper nach dem gleichen Sujet komponiert hatte, nahm er Abstand von seinem Vorhaben. Statt des Schwarzen Jägers komponierte Spohr, der damals
als Musikdirektor der Frankfurter Oper wirkte, das orientalische Märchen Zemire und Azor. Dieser Stoff war bereits von mehreren Komponisten, zum Beispiel von André Grétry 1771 vertont worden. Das Libretto von Jean-François Marmontel basiert auf dem Märchen La Belle et la bête (Die Schöne und das Biest) von Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve und Jeanne-Marie Leprince de Beaumont.
Der Frankfurter Theaterdirektor Johann Jakob Ihlée hat den Stoff nach der französischen Vorlage für Spohr als Opernlibretto bearbeitet.
Der wegen seiner Eitelkeit in eine Missgestalt verwandelte Prinz Azor wird von der selbstlosen Liebe der Jungfrau Zemire erlöst. Lange vor Wagner interessierte sich also auch Spohr für die Idee der Erlösung des Mannes durch die bedingungslose Liebe einer Frau. Das Libretto ist wirkungsvoll und von intelligenter Geschlossenheit. Das hat sich auch auf Spohrs Kompositionsstil ausgewirkt. Ebenfalls ist der Einfluss von dem sonst nicht gerade geliebten Rossini in dieser Oper unüberhörbar. Spohr schreibt in seinen
Lebenserinnerungen:
„Dazu kam, dass ich über vier Sänger […] zu disponieren hatte, die bedeutende Kehlfertigkeiten besaßen. So erklärt sich, dass die Musik zu Zemire und Azor so viele Koloraturen und Gesangsverzierungen in den Partien der drei Schwestern und der des Azor enthält.“ [12]
Spohrs fünfte Oper wurde am 4. April 1819 in Frankfurt mit großem Erfolg uraufgeführt. Weitere Aufführungen fanden in Amsterdam, Leipzig, München, Wien, Königsberg, Kassel, Weimar, in Lille auf Französisch, in Stockholm auf Schwedisch und in London auf Englisch statt.
Der Vater von Zemire, der Kaufmann Sander, hat zusammen mit seinem Diener Ali Schiffbruch erlitten. Sie haben Schutz gesucht in einer leeren Halle von Azors Palast. Dort pflückt Sander eine Rose, die er seiner Tochter mitbringen will. Dieser Blumendiebstahl löst eine Kettenreaktion aus: Ein Chor unsichtbarer Geister – und schließlich der verzauberte Prinz Azor selbst – wollen den Rosendieb bestrafen. [13]
Im Jahre 2005 hat in New York die Opernabteilung der Manhattan School of Music Zemire und Azor unter dem Titel Beauty and the Beast in deutscher Sprache, mit englischen Dialogen inszeniert und eine Gesamtaufnahme auf CD produziert. [14]
„Ich finde die Oper herrlich. Aber natürlich habe ich sie in meinen jungen Tagen kennen gelernt und sie berührt mich in derselben Weise wie meine anderen jugendlichen Schwärmereien. Jessonda hat mein Herz erobert und ich werde für den Rest meines Lebens so für sie fühlen.“
Ja, tatsächlich: Es war Johannes Brahms, der sich zu dieser bewundernden Schwärmerei nach einer Aufführung von Spohrs OperJessonda in Wien hat hinreißen lassen! Sie ist in der Brahms-Biographie von Max Kalbeck. S. 143, herausgegeben von der Deutsche Brahms Gesellschaft, Berlin 1915, zu finden.
Der Kasseler Spohr-Forscher Dr. Wolfram Boder beschreibt Jessonda in seinem Standardwerk Die Kasseler Opern Louis Spohrs [15] als eine auch musikalisch beispielhaft spannende Geschichte um Toleranz und Völkerverständigung, die dem fortschrittlich gesinnten Freimaurer Louis Spohr als Opernstoff sehr geeignet erschien.
Das Libretto von Eduard Gehe basiert auf dem französischen Schauspiel La veuve de Malabar von Antoine-Marin Lemierre. Der Schauplatz derOper ist Goa im 16. Jahrhundert während der Kämpfe zwischen Indien und den portugiesischen Eroberern.
Gemäß einer indischen Tradition soll Jessonda als Witwe eines verstorbenen Rajahs mit der Leiche ihres Ehemannes verbrannt werden. Der portugiesische General Tristan d’Acunha, der sich mit seinen Soldaten der Stadt nähert, glaubt, es handele sich um eine harmlose religiöse Zeremonie. Um nicht zu stören, schließt er für deren Dauer einen Waffenstillstand mit dem Oberpriester Dandau. Doch dann erkennt er den wahren Charakter der Zeremonie und muss entdecken, dass das Opfer seine verloren geglaubte Jugendliebe Jessonda ist. Dass Jessonda gerettet werden kann und das Ende versöhnlich ist, verdankt sich schließlich der einsichtigen Haltung auf beiden Seiten.
Wie später Richard Wagner, verstand Spohr seine Oper als „Gesamtkunstwerk“, in dem Sprache, Musik und Szene gleichberechtigt nebeneinander stehen. Er verwendet Leitmotive, und mit seiner durchkomponierten Form betritt er Neuland in der deutschen Opernkomposition. Das Ergebnis ist eine romantische Oper mit großen Ballettszenen und effektvollen Chören, die zur damaligen Zeit riesige Begeisterungsstürme beim Publikum auslösten.
Nicht zuletzt zu verdanken war das den prunkvollen Bühnenbildern, den für damalige Verhältnisse sensationellen optischen Effekten und dem exotischen Schauplatz. Schon bald nach der erfolgreichen Uraufführung 1823 stand Spohrs erste „Kasseler Oper“ auf den Spielplänen in ganz Deutschland sowie in vielen Städten Europas und mehrte den Ruhm Spohrs als einen der führenden deutschen Opernkomponisten, der die Musikdramen Richard Wagners vorbereitend beeinflusst hat.
Wie wichtig das Werk für die Entwicklung der romantischen Oper war, zeigen nicht zuletzt Jessonda-Anklänge in Richard Wagners Werken, der diese Oper in Magdeburg und Riga dirigiert hatte, sich später allerdings ziemlich abfällig über sie geäußert hat.
Hingegen setzte sich der „Jessonda-Fan“ Johannes Brahms noch 1881 für den Neudruck der Partitur beim Verleger Peters ein.
Carl Maria von Weber hatte bereits 1824 die Jessonda mit der berühmten Wilhelmine Schröder-Devrient in der Titelpartie in Dresden dirigiert. Ein Jahr später, am 25. März 1825, fand die Berliner Premiere von Jessonda statt, mit dem Komponisten am Pult. Das Werk blieb auch später im Repertoire. Freund Meyerbeer besuchte 1848 drei Vorstellungen am 24. und 28. Mai sowie am 4. Juni und zeigte sich begeistert. Der überwältigende Erfolg der Jessonda in Berlin veranlasste den General-Intendanten Graf Brühl an Louis Spohr einen Kompositionsauftrag zu vergeben – für eine Bühnenmusik mit Orchester zu einer Neuübersetzung von Shakespeares Macbeth durch den Königlichen Hofbibliothekar und Schriftsteller Dr. Samuel Heinrich Spiker. Die Premiere fand am 15. Dezember 1825 statt. Diese Schauspielmusik für großes Orchester ist insofern für unseren Opernvortrag von Bedeutung, als Spohr in Berlin durch die Bekanntschaft mit Spiker einige Werke des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving kennengelernt hat. Spiker hat sieben Bände von Irvings Werken ins Deutsche übertragen, darunter Bracebridge Hall 1823 – bereits ein Jahr nach dem Erscheinen des amerikanischen
Originals. Darin ist die Erzählung Der Student von Salamanca enthalten, die literarische Vorlag für Spohrs spätere Oper Der Alchymist.
Jessonda war bis 1933 Bestandteil der Spielpläne an vielen deutschen und europäischen Opernhäusern.
Das änderte sich erst, als die Nationalsozialisten die Oper des Freimaurers Louis Spohr von den deutschen Spielplänen
verbannten, weil sie in Jessonda eine „Verherrlichung der Rassenvermischung“ sahen. Ähnlich erging es Spohrs Oper Der Alchymist. Hier wurde bemängelt, dass die Zigeuner in dieser Oper „zu positiv“ dargestellt waren.
Auch Der Alchymist wurde mit einem Aufführungsverbot belegt.
Wieder gespielt wurde Jessonda erst nach dem 2. Weltkrieg in der Eröffnungsspielzeit des neuen Staatstheaters Kassel 1959/60. Die erste Gesamtaufnahme auf CD von Jessonda stammt aus dem Jahre 1985. In Wien hat Gerd Albrecht mit dem Chor und Orchester des ORF und den Sängern Cheryl Studer, Doris Soffel, Thomas Moser und Roland Herrmann die Jessonda konzertant beim Label Voce-106 auf zwei LPs eingespielt. Im Juli 1990 folgte dann, wiederum mit Gerd Albrecht als Dirigenten, die Hamburger
Live-Aufnahme der Oper Jessonda mit dem Label ORFEO. Die Besetzungsliste nennt so bekannte Sänger wie Julia Varady in der Titelpartie, Renate Behle als Jessondas Schwester Amazili, Kurt Moll als konservativen Führer der Brahmanen Dandau, Thomas Moser als aufgeklärten, toleranten Brahmanen Nadori, Dietrich Fischer-Dieskau als portugiesischen Feldherr Tristan d’Acunha und Peter Hage als portugiesischen Offizier Pedro Lopes. Diese Einspielung mit dem Chor der Hamburgischen Staatsoper und dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg ist seit einem Vierteljahrhundert die einzig verfügbare Gesamtaufnahme auf CD.
Es gibt drei musikalische Grundthemen in Jessonda: das Eid-Motiv, das Thema des aufgeklärten Nadori und das Thema der Liebe Nadoris. Dazu kommen weitere Motive, z.B. das der Jessonda in ihrer letzten Arie, wenn sie ihre Todes-Resignation überwunden hat, weil ihr Geliebter Tristan zur Rettung naht. Mutig bäumt sie sich gegen ihr Schicksal auf. In der Ouvertüre erklingt das Jessonda- Motiv bereits als zweites Thema.
Zum Abschluss unseres kleinen Streifzuges durch Jessonda möchten wir drei Beispiele vorstellen, die zeigen, dass Louis Spohr durchaus als Wegbereiter für Richard Wagner gelten kann.[16]
Und nun wieder zurück zu Jessonda – uraufgeführt 17 Jahre nach dem
Streichquartett op. 4 Nr. 1. [17]
Das nächste Beispiel ist die Todverkündung im Finale des ersten Aktes derOper. Nadori (Thomas Moser) überbringt als Todesbote die Nachricht, dass Jessonda zusammen mit ihrem toten Ehemann auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden soll: „So wie das Rohr zerbrach, das Linnentuch zerriss, der Flamme Licht verging, vergeh’ nach heil’gem Brauch, dein Leben auch. Sobald aus Meeresfluten der nächste Morgen steigt, sollst du in Feuersgluten…“.
Hier bricht Nadori ab, geblendet und fasziniert von der Schönheit Amazilis, Jessondas Schwester, in die er sich sofort verliebt, wie die Musik eindeutig kommentiert.
Bemerkenswert ist vor allem der Einsatz der den Tod verkündenden Pauken in dieser Szene. Und im Vergleich dazu die Todverkündigung aus Richard Wagners Die Walküre, 2. Akt. [18]
Wie in Jessonda (Uraufführung 1823) verkünden auch in der Walküre (Uraufführung 1870) die Pauken den bevorstehenden Tod.
Die große Popularität von Spohrs Jessonda zeigt sich u.a. auch in einem Deckengemälde im Foyer der Wiener Staatsoper, mit einer Szene aus Jessonda, die von dem österreichischen Maler und Zeichner Moritz von Schwind entworfen wurde. Auf ganz anderem Wege rettete sich Spohrs Jessonda später ins 20. Jahrhundert: Die Titelfigur gab einem Asteroiden (einem Kleinplaneten) den Namen. Der Asteroid wurde am 15. November 1904 von dem deutschen Astronomen und galaktischen Astrophotographen Maximilian [Franz Joseph
Cornelius] Wolf entdeckt und benannt. Der Asteroid Jessonda hat einen mittleren Durchmesser von 18,8 km und befindet sich im Asteroidengürtel des Sonnensystems zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter.
Das Libretto zu seiner nächsten Oper Der Berggeist WoO 54, einem Rübezahl- Stoff, stammt aus der Sammlung Die Volksmärchen der Deutschen von Johann Karl August Musäus. Man kann bei dieser Oper eine bedeutende, kompositorische und formale Entwicklung feststellen: Die Themenarbeit ist noch ausgefeilter als bei Jessonda, Spohr komponiert keine Nummern-Oper, sondern ganze Szenen – und ist offenbar auf dem Wege zum Musikdrama.
Die Uraufführung der Oper, ein Auftragswerk für die Hochzeit der Prinzessin Marie, der Tochter des hessischen Kurfürsten, war für den 24. März 1825 bestimmt.
An einem Beispiel wollen wir zeigen, wie wirkungsvoll diese Oper ist: Die Hochzeit Almas mit ihrem geliebten Oskar soll in wenigen Stunden stattfinden. Aber der Berggeist Rübezahl, verkleidet als Bergwerksarbeiter, kommt aus dem nahegelegenen Schacht und will Alma, in die er sich unsterblich verliebt hat, in sein Geisterreich entführen, was ihm – zum Entsetzen der Schlossbewohner und Landleute – schließlich auch gelingt: „Mich umflüstern böse Geister!“ [19]
Selten hat Spohr mit so feinem musikalischen Esprit und Humor komponiert wie in dieser „Blumenzahl“-Oper … Ja, Rübezahl, der Berggeist, muss hier nämlich keine Rüben zählen, sondern Hunderte und Tausende von verschiedenen Blumen, um das geliebte Menschen-Mädchen Alma zu gewinnen. Seine „Blumenarie“ ist von Spohr mit viel Humor komponiert
worden.
Diese Oper sollte unbedingt wieder in das deutsche Opernrepertoire aufgenommen werden. Mit einigen Retuschen im Libretto und dramaturgischen Umstellungen könnte sie für das Musiktheater unserer Tage gerettet werden. Eine musikalisch geistreiche und witzige Märchenoper für die ganze Familie. Es muss ja nicht immer Humperdincks Hänsel und Gretel sein …
Mit seiner nächsten Oper greift Spohr ein ungewöhnlich brisantes Thema auf.
"[…] Wo aber, wie in Pietro von Abano fleischliche Lüste mit einer Leiche getrieben
werden sollen, welche – durch Zauberei eines schändlichen Menschen – auf
eine kurze Zeit zum Schein belebt wird, wo folglich das Unnatürlichste und
Widrigste zur Sprache kommt, kann dies nur den größten Abscheu erregen. Verzeihen
Sie mir, werter Herr Kapellmeister, dass ich mich so entschieden und hart
hierüber ausspreche; ich kann aber nicht umhin zu sagen und zu behaupten, dass
dies die theatralische Licenz überschreitet, indem es wahrhaft ruchlos wird, und
ohne ein religiöser Schwärmer oder Katholik zu sein, kann ich doch auch diese
Mischung von Ruchlosigkeit und religiösen Ceremonien durchaus nie und unter
keinem Vorwande gut heissen." [20]
Das schrieb Graf Brühl, General-Intendant der Königlichen Theater in Berlin, an den Komponisten Louis Spohr und weigerte sich, eine Aufführung der neuen Oper Spohrs in Berlin anzusetzen. Er nannte dafür moralischethische Gründe, die er in einem Brief an den Komponisten vom 13. März 1828 zum Ausdruck brachte. Spohr antwortete, dass es ihm unmöglich sei, die sogenannten „anstößigen“ Szenen aus der Oper zu entfernen. [21]
Louis Spohrs spannende Oper basiert auf Ludwig Tiecks Eine Zaubergeschichte. Das Libretto stammt von Karl Pfeiffer (1803–1831), dem Bruder von Spohrs zweiter Frau Marianne Pfeiffer. Die erste Vorstellung der Oper Pietro von Abano (WoO 56) fand am 13. Oktober 1827 in Kassel statt.
Spohr zeigt in dieser Oper (wie auch Carl Maria von Weber im Freischütz) eine „Beschädigung der bürgerlichen Welt“, doch hier wird diese nicht in eine „Wolfsschlucht“ abgeschoben, wo das Publikum sie vielleicht noch ertragen
kann, sondern sie findet im Hause eines Mediziners und Gelehrten statt, dem zukünftigen Rektor der Universität von Padua. Pietro wahrt nach außen hin den schönen, bürgerlichen Schein. Seine Zauberkünste und Perversionen übt er im Verborgenen aus.
Spohrs Pietro von Abano ist in unserer Zeit nur in England und Italien aufgeführt worden. Eine Wiederentdeckung steht auf deutschen Opernbühnen immer noch aus.
Was die Gemüter damals so erregte, ist die Geschichte eines Zauberers und Arztes, der die von ihm begehrte, aber inzwischen verstorbene Cäcilie in einer gespenstischen Beschwörungsszene zum Scheinleben erweckt, um an ihr seine sexuellen Gelüste zu befriedigen. Der Frevel wird jedoch vom Verlobten Cäcilies, Antonio, aufgedeckt. Pietro, der im Dom von Padua zum Universitätsdirektor geweiht werden sollte, wird gelyncht. Cäcilie findet endlich ewige Ruhe und Antonio meint, sein Glück mit ihrer Zwillingsschwester Rosa doch noch finden zu können.
Giacomo Meyerbeer hat am 4. März 1828 nach dem Partitur-Studium von Spohrs neuer Oper einen begeisterten Brief an ihn geschrieben mit dem Wunsch, „einer Aufführung des Meisterwerks beizuwohnen“ wie Spohr in seiner Selbstbiographie, erschienen in Kassel 1861 (S. 176, Bd. 2) berichtet. Auch hat er sich enthusiastisch über Spohrs Gestaltung der angeblich „anstößigen“ Szene geäußert. Und in der Tat: Sie gehört zu dem Genialsten, was in der frühen romantischen Oper entstanden ist.
Am 4. Juni 1828 erschien in der Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung und in dem Berliner Conversations-Blatt eine aufschlussreiche Anzeige des Komponisten:
Den verehrlichen Intendanzen und Directionen deutscher Theater macht der
Unterzeichnete ergebenst bekannt, dass seine neueste Oper Pietro von Abano wie
die früheren, auf rechtlichem Wege nur bei ihm zu bekommen ist und fügt dieser
Anzeige die Nachricht bei, dass von dem Buch derselben für solche Städte,
wo der kirchliche Aparat der Oper Anstoss erregen könnte, eine neue Bearbeitung
– wo dieser wegfällt – gemacht wurde; die auch bereits eine katholische
Zensur passirt ist. […] Cassel, im Mai 1828: Louis Spohr.
Bisher gibt es keine Gesamtaufnahme des Pietro von Abano, aber die Ouvertüre ist von Christian Fröhlich und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin eingespielt worden. [22]
Spohrs nächste Oper Der Alchymist WoO 57 basiert auf einer Novelle des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving, geboren 1783 in NewYork, der von der Literaturwissenschaft als der Erfinder der short story bezeichnet worden ist. Es spricht für den literarischen Sachverstand des Komponisten Spohr, dass er die Wirkung dieses Schriftstellers schon früh erkannt hat und eine Geschichte aus dessen Sammlung Bracebridge Hall für ein Opernlibretto auswählte: The Student from Salamanca. Im Oktober 1829 begann Spohr mit der Komposition, die ein Jahr später zum Geburtstag des Kurfürsten am 28. Juli 1830 in Kassel mit großem Jubel uraufgeführt wurde.
Irving lässt die Handlung zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Granada spielen. Hier der Inhalt der Oper in Kurzform:
Inez, die Tochter des Alchymisten Don Felix de Vasquez, wird von dem gewalttätigen, skrupellosen Don Ramiro begehrt, obwohl sie dem jungen Edelmann Don Alonzo ihr Herz geschenkt hat, nachdem er ihren Vater aus dem Brand seines Labors gerettet hat. Ramiro schafft es durch seine Intrigen, Inez zu entführen und ihren Vater der Inquisition zu übergeben, die ihn zum Tode verurteilt.
Mit seiner bedingungslosen Forderung nach absoluter Freiheit in Wissenschaft und Forschung ist der Alchemist unter den Verdacht der Inquisition geraten. Doch Alonzo kann mit Hilfe Paolas, einer aus einem edlen maurischen Geschlecht stammenden ehemaligen Geliebten Ramiros, alles zum Guten wenden und Inez und ihren Vater befreien; Ramiro wird im Zweikampf besiegt.
Die Romanza con coro Nr. 14 der Paola hat eine zentrale Bedeutung für die Oper, weil Paola jetzt aktiv in die Handlung eingreift. Sie singt diese Romanze auch, weil sie damit auf eine alte maurische Erzählung Bezug nimmt. Mit ihrem beschwörenden Ruf „Abuhamet“ wird ein angesehener Schriftsteller, Rechtsgelehrter und Mystiker des islamischen Rechts und der islamischen
Dogmatik zitiert. Dass in der Romanza con coro ein musikalisches Motiv vorkommt, das aus
einem viel später entstandenen Musikdrama eines Komponisten bekannt ist, wird man nicht ignorieren können. [23]
Am 5. Juni 1843 führte Spohr Richard Wagners Der fliegende Holländer mit großem Erfolg am Kasseler Hoftheater als zweite deutsche Bühne, nach der Uraufführung in Dresden, auf.
Die zeitliche Nähe der Holländer-Aufführung zum Beginn der Arbeit an seiner zehnten Oper Die Kreuzfahrer WoO 59 ist auffällig. 13 Jahre lang hatte der Komponist keine Opernpläne mehr verwirklichen wollen. Aber nun, beflügelt durch den Fliegenden Holländer, so darf man annehmen, setzte er sich noch einmal mit einem Opernstoff auseinander. Spohr hat sich das schon fast vergessene
Schauspiel Die Kreuzfahrer von August von Kotzebue ausgewählt und zusammen mit seiner Frau Marianne zu einem Opernlibretto gestaltet. Zum ersten Mal wird der Komponist bei dieser Oper als sein eigener Librettist genannt.
Am Neujahrstag des Jahres 1845 kam es im Kasseler Hoftheater zur erfolgreichen Uraufführung.
Schon am 26. Juli 1845 fand die Berliner Erstaufführung statt – auf Empfehlung von Giacomo Meyerbeer – mit dem Komponisten am Pult.
Meyerbeer hatte die Aufführung musikalisch „premierenreif“ vorbereitet, so dass Spohr erst zu den Endproben nach Berlin kommen musste.
Die herzliche Freundschaft der beiden Komponistenkollegen ist in einem Autograph Meyerbeers mit dem Titel „Dem Meister des deutschen Liedes ein deutsches Lied“ – aufbewahrt in der Bibliothèque nationale in Paris – dokumentiert.
Der vierstimmige Männerchor trägt den Vermerk Meyerbeers: Lied von mir, welches ich zur Verherrlichung Spohrs bei dessen Anwesenheit in Berlin componierte. [24]
Mit seiner letzten Oper hat Spohr noch einmal neue Wege beschritten. In dem von ihm formulierten Bestreben, „wahr im Ausdruck und echt dramatisch“ zu sein, verzichtet er auf die sonst opern-üblichen Text- oder Wortwiederholungen und Koloraturen, er komponiert die Oper durch und entwickelt auch die Arbeit an seiner Leitmotivtechnik differenziert und konsequent weiter. Damit bewegt sich der Komponist eindeutig in Richtung des Musikdramas. Im Textbuch lesen wir:
Der Schauplatz, bald im Lager der Kreuzritter vor Nicäa, bald in oder vor einem nahegelegenen Kloster der Hospitaliterinnen. Zeit: das Jahr 1097.
Aus diesen Angaben im Textbuch der Oper (Aubel’sche Buchdruckerei, Kassel 1845) ist festzustellen, dass es sich um eine Geschichte vor tatsächlichem, historischem Hintergrund handelt. Die Belagerung Nicäas fand während des Ersten Kreuzzugs vom 14. Mai bis 19. Juni 1097 statt. In vielen katholischen Städten Deutschlands hat die Zensur Anstoß am Libretto genommen und Aufführungen der Oper unterbunden, was die Wirkungsgeschichte des Werkes entscheidend beeinträchtigt haben dürfte. Vor allem, dass in dieser Oper das Thema „Christentum und Toleranz gegenüber Andersgläubigen“ behandelt wird, hat die konservativ-katholischen
Gemeinden aufgeregt. Und auch, dass ausgerechnet „ungläubige“ Türken eine katholische Novizin aus einem Kloster retten, die von der Äbtissin zum Tode verurteilt worden war, das konnte auf keinen Fall akzeptiert werden.
Wieder einmal hat Spohr mit einer Oper gesellschaftliche und religiöse Tabus verletzt.
Ob auf Veranlassung Richard Wagners die plötzliche Absage der geplanten und bereits terminierten Aufführung der Kreuzfahrer in Dresden stattfand, ist nicht belegt, darf aber vermutet werden. [25]
Die Korrespondenz zwischen dem Generalintendanten des Sächsischen Hoftheaters in Dresden, Wolf Adolf August von Lüttichau, und dem Komponisten gibt Aufschluss darüber, dass Spohr von der rüden Absage schwer getroffen war, aber dass er auch mutig genug war, ziemlich scharf zu antworten:
„Es bleibt mir daher die Kränkung, die mir widerfahren ist, völlig unerklärlich und ich muss mich mit dem Gedanken trösten, daß es die einzige der Art in meinem langen Künstlerleben war, und mich freuen, nicht unter einer Intendanz zu stehen, die das Ehrgefühl der Künstler so wenig zu schonen versteht […].“ [26]
Lüttichau hatte Spohr am 5. März 1846 geschrieben und seine Absage begründet:
Zuvörderst ist der erste Reiz der Neuheit, welchem dieselbe nun schon in Berlin
dargestellt worden, für das hiesige Publikum vorüber, und dann habe ich mich
[…] immer mehr überzeugt, dass der kirchliche Stoff desselben für die hiesige
Königl. Bühne […] keineswegs vorteilhaft seyn dürfte. [27]
Louis Spohrs Oper Die Kreuzfahrer endlich wieder aus der Versenkung zu holen und sie für ein neues Bühnenleben zu reanimieren: das wäre mit Sicherheit eine Bereicherung für einen ambitionierten und einfallsreichen Opern- Spielplan; das gilt auch für die anderen Opern des Komponisten, vor allem für Pietro von Abano und Der Berggeist.
Wir hoffen, dass wir mit diesem Streifzug durch Louis Spohrs vielseitiges Opernschaffen vermitteln konnten, dass es unbedingt an der Zeit ist, diesen spannenden Opernkomponisten wieder zu entdecken.
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Die Opuszahlen und Werke ohne Opuszahl WoO wurden entsprechend
dem Werkverzeichnis angegeben, das der Spohr-Forscher Folker Göthel im
Verlag Hans Schneider herausgegeben hat:
Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr. Tutzing, 1981.
Literaturverzeichnis
Altmann, Wilhelm 1904: Spohrs Beziehungen zur Generalintendantur der Königl. Schauspiele zu Berlin, in: Neue Zeitschrift für Musik Jg. 71, Bd. 100, 1904, S. 199–202.
Boder, Wolfram 2007: Die Kasseler Opern Louis Spohrs. Musikdramaturgie im sozialen Kontext. Kassel u.a.
Becker, Heinz 1957: Meyerbeers Beziehungen zu Louis Spohr. In: Musikforschung X.
Meyerbeer, Giacomo 1975: Briefwechsel und Tagebücher. Bd. 3: 1837–1845. Hg. von
Heinz Becker u. Gudrun Becker. Berlin.
Spohr, Louis 1968: Lebenserinnerungen. Erstmals ungekürzt nach den autographen
Aufzeichnungen hg. von Folker Göthel. Tutzing.
Spohr, Louis 1961: Selbstbiographie, Bd. 1 u. 2, Cassel und Göttingen.
Stoker, Bram 2008: The new annotated Dracula. Hg. Leslie S. Klinger. New York u.a.
Weber, Carl Maria von 1908: Einführungen und „Dramatisch-musikalische Notizen“. 1816. Faust, Oper von Spohr, in: Sämtliche Schriften, Hg. G. Kaiser, Berlin und Leipzig,
S. 273–275.
Internetquelle:
Spohr-Briefe. Online Edition, hg. von Karl Traugott Goldbach, Kassel. www.spohrbriefe.de
Fußnoten:
1 Stoker 2008, S. 161.
2 Spohr 1968, Bd. 1, S. 3.
3 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Ouvertüre Die Prüfung. Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
(Dirigent Christian Fröhlich): Louis Spohr Ouvertüren. Label: 999 093-2, 1993.
4 Spohr 1968, Bd. 1, S. 115.
5 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Ouvertüre zu Alruna, die Eulenkönigin, op. 21. Die gedruckte
Ouvertüre ist dankenswerterweise eingespielt worden, so dass das Hörbeispiel einen kleinen
Eindruck von Spohrs Geister-Oper vermitteln kann. Wieder ist es der Spohrexperte Christian
Fröhlich, der das Radio-Sinfonieorchester Berlin dirigiert: Louis Spohr Ouvertüren. Label:
cpo 999 093-2, 1993.
6 Louis Spohr, Ouvertüre Der Zweikampf mit der Geliebten. Label: Hyperion CDA67802, 2011.
7 Spohr 1968. Bd. 1, S. 171.
8 Diese erste Szene wurde aus einem Livemitschnitt von Radio Berlin vom 20. Februar 1992 als Hörbeispiel präsentiert. Louis Spohr Faust. Gesamtaufnahme (gekürzt). Label: House of Opera CD10427, 1992. Dietrich Fischer-Dieskau singt den Faust, Harald Stamm den Mephistopheles. Mit Beatrice Haldas: Kunigunde, Gabriele Schreckenbach: Röschen, Rüdiger Wohlers: Graf Hugo, Horst Laubenthal: Franz, Marga Schiml: Hexe Sycorax. Roland Bader dirigiert das Radio-Sinfonieorchester Berlin.
9 Weber 1908.
10 An dieser Stelle erklang als Hörbeispiel der berühmte Bariton, der diese nachkomponierte
Arie mit Fabio Luisi und dem Münchner Rundfunkorchester eingespielt hat: Thomas Hampson.
German Opera Arias. Rezitativ und Arie des Faust von Louis Spohr. Label: EMI Classics
5 55233 2, 1995.
11 In einem weiteren Hörbeispiel erklang das Finale der Oper mit Bo Skovhus als Faust, Franz
Hawlata als Mephistopheles, in einer Einspielung mit dem Südfunkchor Stuttgart und dem
Rundfunkorchester des Südwestfunks Kaiserslautern. Die musikalische Leitung hat Klaus
Arp: Louis Spohr Faust. Gesamtaufnahme. Label: Capriccio 60 049-2, 1994.
12 Spohr 1968, Bd. 2, S. 51–52.
13 Hörbeispiel der entscheidenden Szene aus dem ersten Akt: Aufnahme des Theaters Nordhausen aus dem Jahre 1996; es spielt das Loh-Orchester Sondershausen. Die musikalische Leitung hat Anton Kolar: Louis Spohr Zemire und Azor Gesamtaufnahme. Label: Deutsche
Schallplatten GmbH Berlin DS 1064-2, 1996.
14 Louis Spohr. Beauty and the Beast. Zemire und Azor. Gesamtaufnahme. Label: Albany Records
TROY787-788.
15 Boder 2007, Bd. 1, S. 86; 153ff.
16 Hörbeispiel: Ausschnitt aus dem Adagio des Streichquartetts in C-Dur op. 4 Nr. 1 mit einem
Motiv, das 50 Jahre vor Wagners Kompositionsskizzen zu Tristan und Isolde in den Jahren
1804–05 entstanden ist. Label: Marco Polo 8.223253
17 Hörbeispiel: das einleitende Thema zum Rezitativ Nr. 6 aus dem ersten Akt mit den beiden
Schwestern Amazili und Jessonda: „O Schwester, stille deine Thränen“. Wagners Tristan-
Motiv ist hier bereits ‚voraus geahnt‘. Label: ORFEO C240912H
18 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Live-Gesamt-Aufnahme von 1999 des Staatstheaters Kassel.
Die Brünnhilde ist Susan Owen, Roberto Paternostro dirigiert das Orchester des Staatstheaters
Kassel: Richard Wagner Die Walküre. Gesamtaufnahme. Label: ARS 38 052, 2007.
19 Hörbeispiel: Ausschnitt aus dem ersten Finale, mit einer Musik, die zum Teil an Jacques Offenbach erinnert. Susanne Bernhard: Alma; der Tenor Dan Karlström: Oskar; Eduard Tsanga:
Der Berggeist. Chor des polnischen Rundfunks Krakau, Camerata Silesia. Es spielt das polnische
Radio-Orchester unter der Leitung von Lukasz Borowicz in einer konzertanten Live-
Aufnahme vom 8. April 2009: Louis Spohr Der Berggeist. Gesamtaufnahme. Label: House of
Opera CD95147, 2009.
20 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?&m=1828031344 14.11.2016, Abruf: 24.8.17.
21 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1828021014 14.11.2016, Abruf: 24.8.17.
Siehe auch: Altmann 1904. Das dort angegebene Datum der Berliner Erstaufführung der Oper
Die Kreuzfahrer ist fehlerhaft. Es muss heißen: 26. Juli 1845, nicht: 1848.
22 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Ouvertüre. Louis Spohr Ouvertüren. Label: cpo 999 093-2, 1993.
23 Hörbeispiel: CD Live-Mitschnitt aus einer Aufführung des Staatstheaters Braunschweig vom
24. Mai 2009 mit Susanna Pütters als Paola, dem Chor und Orchester des Staatstheaters
Braunschweig. Die musikalische Leitung dieser ersten Gesamtaufnahme, in der Bernd Weikl
die Titelpartie singt, hat Christian Fröhlich. Das Magazin FonoForum schrieb dazu: „Die Musik
klingt ungemein frisch, reich und fein differenziert und ist – in der dramaturgisch interessanten
Abfolge von Melodram, Arie, Szene, Dialog, Rezitativ, Chöre – immer wieder für Überraschungen
gut. Christian Fröhlich ist hier in seinem Element, und das Wiederhören mit Bernd
Weikl wird zu einem Höhepunkt der Einspielung.“: Louis Spohr Der Alchymist. Gesamtaufnahme.
Label: Oehms Classic OC 923, 2009/2011.
24 Meyerbeer, 1975; Bd. 3, S. 805.
25 Boder 2007; Bd.1, S. 342-343
26 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846030545 29.8.2017, Abruf: 1.9.17
27 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846032315 29.8.2017, Abruf: 1.9.17
Unser Artikel ist erschienen im SPOHR Jahrbuch 2017 (1. Jahrgang), Weidler Buchverlag Berlin. ISBN 978-89693-687-5.
Herausgegeben von der Stadt Braunschweig - in Zusammenarbeit mit der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft e.V., der Braunschweigischen Louis Spohr Gesellschaft e.V. und der
Spohr Society of the United States of America. Redaktion: Dr. Hans Krauss, Braunschweig.
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Susan Owen-Leinert / Michael Leinert
„Seid mir gegrüßt, ihr theuren Hallen“
Eine Entdeckungsreise durch Louis Spohrs vergessene Opern,
basierend auf einem Vortrag mit musikalischen Beispielen vom 11. November 2014 im Städtischen Museum Braunschweig,
veranstaltet von der BraunschweigischenLouis-Spohr-Gesellschaft e.V.
Same day, night. – We passed a happy day. […] We took our lunch to Mulgrave
Woods, Mrs. Westenra driving by the road and Lucy and I walking by the cliffpath
and joining her at the gate. […] In the evening we strolled in the Casino
Terrace, and heard some good music by Spohr and Mackenzie, and went to bed
early. I shall lock the door and secure the key, though I do not expect any trouble
to-night.[1]
Die „schöne Musik“ von Louis Spohr (zusammen mit der des schottischen Komponisten Alexander MacKenzie) wird in dem 1897 erschienenen Roman Dracula des irischen Schriftstellers Abraham (Bram) Stoker im 8. Kapitelgenannt. In der 613-seitigen, ausführlich kommentierten Prachtausgabe des Dracula, 2008 herausgegeben von Leslie S. Klinger in New York, gibt es
parallel auf der eben zitierten Seite 161 sogar eine Biografie mit dem Bild des Komponisten!
Die große Beliebtheit der beiden Komponisten-Freunde Felix Mendelssohn Bartholdy und Louis Spohr ist bis heute in England ungebrochen. Erinnert sei hier an eine humorvolle Erwähnung zu Louis Spohr in Gilbert and Sullivans komischer Oper
The Mikado im 2. Akt:
"The music-hall singer attends a series
of masses and fugues and ‚ops’
by Bach, interwoven
with Spohr and Beethoven,
at classical Monday Pops."
Das englische Publikum ist auch heute noch ziemlich vertraut mit dem Werk Louis Spohrs, ganz anders ist das in seinem Heimatland.
Und vielleicht ist sein Name im Zusammenhang mit der Vampirgeschichte Dracula gar nicht einmal somerkwürdig, wie es uns heute erscheinen mag. Die Opern Alruna, die Eulenkönigin,Faust, Zemire und Azor, Der Berggeist, Pietro von Abano und Der Alchymistbehandeln, wie Webers Der Freischütz und Heinrich Marschners Der Vampyr, okkulte Themen und Geistererscheinungen.
Auch der Titel unserer Entdeckungsreise durch Louis Spohrs Opern stammt aus einer „okkulten“ Oper des Kasseler Hofkapellmeisters und Komponisten, die unter anderem das brisante Thema der Leichenschändung im mittelalterlichen Padua behandelt.
„Seid mir gegrüßt, ihr theuren Hallen“:
Mit dieser ersten Zeile beginnt Louis Spohrs Oper Pietro von Abano, komponiert und uraufgeführt im Jahre 1827 in Kassel. Die ersten vier Text-Zeilen von Spohrs Oper würden rhythmisch- syllabisch genau auf Elisabeths „Hallenarie“ im Tannhäuser passen … was für ein Zufall!
Bei Spohr ist es allerdings ein Mann, der diese "Hallenarie" singt.
Antonio ist nach Padua zurückgekehrt, um seine geliebte Cäcilia wiederzufinden:
"Seid mir gegrüßt, ihr theuren Hallen,
wo die Geliebte meines Herzens wohnt;
Wo sie des fernen Freundes treu gedachte,
wo liebend sein, ihr Auge harrt!"
Doch kehren wir jetzt erst einmal zurück zu den Anfängen des damals 12-jährigen Komponisten. Er schreibt in seinen Lebenserinnerungen:
Mein erster glänzender Erfolg in der Komposition – mit Duetten für zwei Violinen – hatte mich so begeistert, dass ich von nun an fast alle Stunden, die mir die Schule frei ließ, mich ähnlichen Versuchen widmete; ja ich wagte mich sogar an
eine kleine Oper, deren Text ich aus dem Weißeschen Kinderfreund nahm.
Charakteristisch mochte es sein, dass ich bei dem Titel begann und diesen vor allen Dingen mit Tusche erst recht schön ausmalte; dann folgte die Ouvertüre, dann ein Chor, dann noch eine Arie, bei der dann aber die Arbeit ins Stocken geriet. [2]
Erst zehn Jahre später, als Zweiundzwanzigjähriger, hat sich Spohr wieder der Opernkomposition zugewandt. Zwischen Oktober und Dezember 1806 hat er seine erste Oper Die Prüfung WoO 48 komponiert. Spohrs Opern-Erstling ist in einer Zeit großer kriegerischer Unruhen – nach der Schlachtbei Jena und Auerstedt – in Gotha entstanden. Das Libretto stammt von Spohrs Onkel, Eduard Henke, einem Bruder seiner Mutter. Die Operette, wie
der Spohr-Forscher Göthel den Opernerstling in Spohrs Werkverzeichnis nennt, besteht aus einer Ouvertüre und acht musikalischen Nummern für zwei Sopranistinnen, einen Tenor und einen Bass. Sie ist in jeder Hinsicht von Mozart inspiriert, man könnte sie, vom Textbuch her, fast als eine Miniatur-Imitation von Mozarts Cosi fan tutte bezeichnen. Es geht um das beliebte Thema der „Liebesprobe“:
Werden sich die Liebenden, trotz verlockender Versuchungen,treu bleiben?
Die Uraufführung fand konzertant in Gotha bei einem Hofkonzert statt. Nur die Ouvertüre ist gedruckt erschienen, denn Spohr hat die Komposition – selbstkritisch, wie er war – nicht für gut genug befunden, um sie einer Bühne für eine szenische Aufführung anzubieten.
Das Autograph befindet sich heute in Kassel im Besitz der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft, die gesprochenen Dialoge existieren dagegen nicht. Sie sind wahrscheinlich nie geschrieben worden. Spohr hat die Ouvertüre auf einer Konzertreise auch außerhalb Gothas bekannt gemacht, so z.B. am 27. Oktober 1807 im Leipziger Gewandhaus. Im Verlag Simrock in Bonn ist die Ouvertüre als op. 15 im Druck erschienen. Aber auch Spohrs zwei Streichquartette in Es-Dur und D-Dur tragen diese Opuszahl. Es ist anzunehmen, dass die von Spohr vorgeschlagene Korrektur in op. 14 wohl vom Verlag nicht mehr berücksichtigt werden konnte, deshalb hat die Ouvertüre später die Opuszahl 15a bekommen. [3]
Dem Spohr-Experten und Dirigenten Christian Fröhlich, der zugleich als Präsident der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft amtiert, werden wir im Laufe unseres Beitrags noch des Öfteren begegnen. Er ist ein profunder Kenner und Förderer der Werke von Louis Spohr. Seine Einspielung mit sieben Opern-Ouvertüren und der Ouvertüre op. 75 zu Shakespeares Macbeth sowie die Gesamtaufnahme von Spohrs vergessener Oper Der Alchymist belegen dieses Engagement auf überzeugende Weise. Aber auch der erfolgreich absolvierte „Spohr-Marathon“, den er zusammen mit dem Violinvirtuosen Ulf Hoelscher und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin vor einigen Jahren unternommen hat, ist beeindruckend: 18 Violinkonzerte, dazu die Concertante op. 48 und op. 88 für zwei Violinen und Orchester.
Alruna, die Eulenkönigin WoO 49, Spohrs zweite Oper (1808 komponiert), ist ein Märchenstoff, wie die damals beliebten Operntitel Das Donauweibchen, Melusine oder Undine.
Die Ähnlichkeit zwischen der Eulenkönigin Alruna und Mozarts Königin der Nacht ist unverkennbar: Alrunas imponierende Koloraturpassagen am Ende der Nummer 5 belegen das. Die große Verehrung für sein Vorbild Mozart wurde von Spohr keineswegs verheimlicht: Die Arie Nr. 13 mit der Liebesklage der Berta ist Paminas Arie „Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden“ ausdrücklich nachempfunden. Die musikalische Charakterisierung der Personen und Spohrs Bestrebungen, die Handlung durch Erinnerungsmotive
zusammenzuhalten, sind in dieser zweiten Oper bereits erkennbar und lassen den Schluss zu, dass der Komponist auf dem Weg ist, ein veritabler Opernkomponist zu werden.
Nur die Ouvertüre zu Alruna ist 1811 als op. 21 im Druck erschienen, denn Spohr war auch hier wieder sehr selbstkritisch mit seinem zweiten musikdramatischen Versuch. Die Oper ist einmal, im August 1809, in Weimar mit Sängern in einer kompletten Orchester-Sitzprobe, in der Anwesenheit von Goethe und dem Dichter Christoph Martin Wieland, vorgestellt worden und dann sozusagen in der Versenkung verschwunden. Johann Wolfgang von Goethe, der legendäre Theater-Direktor des Weimarer Hoftheaters, war zwar durchaus von Spohrs Musik angetan, die zum Teil von Mozarts Die Zauberflöte und Don Giovanni inspiriert ist, kritisierte aber die nach seiner Ansicht viel zu langen und umständlich im antiken Versmaß geschriebenen Dialoge eines uns unbekannten Autors: „ein junger Dichter, ein Kandidat der
Theologie, der in Gotha seiner Anstellung harrte“, wie Spohr in seinen Lebenserinnerungen schreibt. [4]
Das Autograph der Oper – die handschriftliche Partitur – befindet sich heute in den Vereinigten Staaten, in der Boston Public
Library. [5]
Schon ein Jahr später sollte Louis Spohr eine Chance erhalten, endlich eine Oper in szenischer Aufführung auf die Bühne zu bringen. Er gehörte zu den vier ausgewählten Komponisten, die im März 1810 eingeladen wurden, ein Opernlibretto für das Hamburger Theater zu vertonen. Der bekannte Hamburger Theaterdirektor Friedrich Ludwig Schröder (1744–1816) wollte mit diesen Kompositionsaufträgen die deutschsprachige Oper tatkräftig und nachdrücklich fördern. Spohrs Oper Der Zweikampf mit der Geliebten WoO 50 erlebte ihre Uraufführung am 15. November 1811 unter der musikalischen Leitung des Komponisten, genau ein Jahr nach ihrer Vollendung.
Es war damit Spohrs erste, auf einer Bühne inszenierte Oper.
Das Libretto stammt von Johann Friedrich Schink (1755–1835), nach einer Vorlage aus dem Spanischen des Dichters Francisco Antonio de Bances y López-Candamo (1662–1704). Spohr hat übrigens in seine neue Oper einige musikalische Themen aus Alruna übernommen und eingearbeitet.
Bemerkenswert sind seine Bestrebungen, in dieser Oper eine durchkomponierte Form zu etablieren. So schafft er ganze Szenenfolgen ohne ein gesprochenes Wort. Die Handlung der Oper, die in und um Brüssel im 16. Jahrhundert spielt und einem Shakespeare-Stoff nachempfunden sein könnte, fassen wir hier kurz zusammen:
Der hitzköpfige spanische Edelmann Enrique hält seine Braut Isabella für untreu und reist an den Hof der Pfalzgräfin Mathilde nach Brüssel. Er wird von einem fremden Ritter aus den Händen von Räubern befreit. Es ist niemand anderer als Isabella, die ihm in Männerkleidern nachgereist ist. Sie nimmt ihm das Versprechen ab, ihre Identität nicht zu verraten – und so kommt es zu Missverständnissen, Eifersüchteleien und Rivalitäten, denn die Gräfin Mathilde findet an dem jungen Ritter, der sich als Don Rosardo ausgibt, großen Gefallen. Enrique, der Isabella immer noch liebt, wird in eifersüchtige Streitereien verwickelt – schließlich fordert ihn Isabella in der Gestalt des Don Rosardo zum Duell. Doch durch eine List des Dienerpaares Decio und Lauretta kann das Duell in letzter Sekunde verhindert werden. Es
siegt – wie so oft in der komischen Oper – schließlich doch noch die Liebe!
Leider ist auch von dieser dritten Oper Spohrs bisher kein Mitschnitt erschienen, aber es gibt eine Aufnahme der Ouvertüre mit dem Orchestra della Svizzera Italiana und dem Dirigenten Howard Shelley. [6]
„Meine erste Arbeit [in Wien] nach der Rückkehr von Gotha – war die Komposition des Faust. Ich hatte vor der Reise einen anderen Stoff im Auge, den mir Theodor Körner als Oper bearbeiten wollte […] wozu ich ihm die Sage von Rübezahl Vorschlug“, schreibt Spohr in seinen Lebenserinnerungen. [7]
Spohr hatte 1813 in Wien den erfolgreichen, 22-jährigen Hoftheater-Dichter kennengelernt. Aus der geplanten Zusammenarbeit mit Körner ist dann aber zu Spohrs großem Bedauern nichts geworden: Aus glühender Begeisterung für den deutschen Befreiungskampf gegen Napoleon trat Körner in Lützows Kavallerie-Korps ein. Wenige Monate später ist er bei einem Gefecht ums Leben gekommen.
In Carl Bernhard, dem Herausgeber der damals einflussreichen Zeitschrift Thalia und dem Textdichter von Konradin Kreutzers Oper Libussa, hat Spohr dann den Librettisten für seine Faust-Oper gefunden.
Es ist schon bemerkenswert, dass der Faust-Mythos zuerst als Oper auf die Bühne gelangte. Goethes 1808 veröffentlichtes Schauspiel Faust I wurde erst zwei Jahrzehnte später szenisch, in einer Bearbeitung, in Braunschweig am 19. Januar 1829 uraufgeführt.
Die erste Faust-Oper, die dauerhafte Wirkung erlangte, ist demnach die von Louis Spohr.
Zwar kennen wir früher datierte Opern dieses Sujets, zum Beispiel die von Ignaz Walter, bereits 1797 komponiert und in Bremen uraufgeführt – aber erst mit Louis Spohrs Oper wird der Faust-Mythos auf der Opernbühne wirkungsvoll etabliert.
„In Sinnenlust so sinnlos leben!“ Mit dieser programmatischen Zeile beginnt Spohrs Faust. Die Szenenangabe im Klavierauszug lautet: Ein Menuetto – eine Tanzmusick auf dem Theater und leitet in die erste Szene der Oper über. [8]
Eigentlich hätte die 1813 komponierte „Romantische Oper in zwei Aufzügen“ im Theater an der Wien aufgeführt werden sollen. Aber die üblichen Wiener Theater-Intrigen und ein Streit zwischen dem Intendanten und dem Komponisten ließen das Projekt scheitern.
Am 1. September 1816 dirigierte der Kapellmeister des Prager Ständetheaters Carl Maria von Weber die erfolgreiche Uraufführung. Bis Ende des 19. Jahrhunderts ist dann Spohrs Faust auf allen deutschen und vielen europäischen Bühnen zu erleben; 1852 auf Wunsch von Königin Viktoria auch in London in italienischer Sprache, in einer aus diesem Anlass neu komponierten dreiaktigen Rezitativ-Fassung. Damit hat Spohr die dem deutschen Singspiel nahestehende Form mit gesprochenen Dialogen verlassen und sich der großen romantischen Oper zugewandt.
Bereits in der Ouvertüre stellt Spohr die drei wichtigsten Leitmotive vor:
Im Höllenmotiv, im Liebesmotiv und im Zwiespaltmotiv wird Fausts Schicksal musikalisch angekündigt. Carl Maria von Weber hat diese Motiv-Technik bewundert und schrieb dazu in seiner Publikums-Einführung zur Premiere:
Glücklich und richtig berechnet gehen einige Melodien wie leise Fäden durch
das Ganze und halten es zusammen. In dieser Beziehung wird die effektvolle
Ouvertüre erst nach dem Anhören der Oper ganz verständlich …. [9]
Erstmals in der Geschichte der Oper wird in der Partitur von Louis Spohrs Faust eine Orgel als Bühneninstrument vorgeschrieben. Das Adagio Nr. 12 ist für die Orgel als Soloinstrument komponiert.
Die Szene vor und in dem Aachener Dom im zweiten Akt wird damit auch musikalisch realistisch installiert.
In Spohrs Oper finden sich eindeutig die Ursprünge für ein musikalisches Element, das später als „Leitmotiv“ bezeichnet wurde und vor allem durch Richard Wagner zum kompositorischen Prinzip erhoben wurde. Das belegen bereits die im Wiener Textbuch von 1814 veröffentlichten Angaben des Komponisten.
Carl Bernhards wirkungsvolles Libretto schöpft aus mehreren Quellen: dem alten Faust-Volksbuch, der Historia des Doktor Faustus, dem
Puppenspiel Faust und Maximilian Klingers Roman Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt (1791). Aber auch Kleists Käthchen von Heilbronn hat Einflüsse hinterlassen: in der Gestalt des Ritterfräuleins Kunigunde und des Gretchen – in Spohrs Oper heißt sie Röschen und hat einige Wesenszüge des Käthchen.
Die Kenntnis des Ersten Teils von Goethes Faust setzen Bernhard und Spohr beim Opernbesucher voraus, ohne das dramaturgisch oder szenisch zu begründen.
Zwei Jahre nach der Prager Uraufführung konnte Spohr als Frankfurter Operndirektor seinen Faust zum ersten Mal hören: Er hat die Frankfurter Premiere dirigiert. Für diese Neuinszenierung hat Spohr eine zusätzliche Arie komponiert und sie dann 1852 in die Londoner Fassung seiner Oper aufgenommen.
Die neue Arie des Faust „Der Hölle selbst will ich Segen entringen – Liebe ist die zarte Blüte“ gehört seit der Frankfurter Erstaufführung
zum festen Bestandteil der Oper. [10]
Der Held ist zum Untergang bestimmt, da gibt es kein sinngebendes Schluss-Sextett wie z.B. in Mozarts Don Giovanni. Die Oper endet konsequent tragisch – doch keineswegs sentimental: Röschen verübt Selbstmord, Kunigunde verfällt in Depressionen. Faust ist allein und fährt zur Hölle. Mephisto triumphiert. Also keine klassische, sondern eine romantische Ritter- und Schauergeschichte, in der es für Faust keine Erlösung gibt: „Hölle frohlocke!“ [11]
Der Generalmusikdirektor der Berliner Oper, Giacomo Meyerbeer, hat die Faust-Oper seines Freundes Louis Spohr am 28. Juni 1843, 14 Jahre
nach ihrer Berliner Erstaufführung, wieder in den Spielplan aufgenommen. Die erfolgreiche Premiere, mit Meyerbeer am Pult, bestätigte nachhaltig die ungebrochene Wirksamkeit dieser Oper.
Wie viele Komponisten war auch Spohr ständig auf der Suche nach einem veritablen Opernstoff. Er glaubte, ihn in der Erzählung Der Freischütz. Eine Volkssage aus dem ersten Band des Gespensterbuchs von Apel und Laun gefunden zu haben. Zusammen mit Georg Döhring, einem Oboisten aus dem Frankfurter Opernorchester, schrieb er das Textbuch zu seiner neuen Oper Der Schwarze Jäger. Als er aber von der Sängerin Wilhelmine Schröder- Devrient zufällig erfuhr, dass Carl Maria von Weber bereits den ersten Akt einer Oper nach dem gleichen Sujet komponiert hatte, nahm er Abstand von seinem Vorhaben. Statt des Schwarzen Jägers komponierte Spohr, der damals
als Musikdirektor der Frankfurter Oper wirkte, das orientalische Märchen Zemire und Azor. Dieser Stoff war bereits von mehreren Komponisten, zum Beispiel von André Grétry 1771 vertont worden. Das Libretto von Jean-François Marmontel basiert auf dem Märchen La Belle et la bête (Die Schöne und das Biest) von Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve und Jeanne-Marie Leprince de Beaumont.
Der Frankfurter Theaterdirektor Johann Jakob Ihlée hat den Stoff nach der französischen Vorlage für Spohr als Opernlibretto bearbeitet.
Der wegen seiner Eitelkeit in eine Missgestalt verwandelte Prinz Azor wird von der selbstlosen Liebe der Jungfrau Zemire erlöst. Lange vor Wagner interessierte sich also auch Spohr für die Idee der Erlösung des Mannes durch die bedingungslose Liebe einer Frau. Das Libretto ist wirkungsvoll und von intelligenter Geschlossenheit. Das hat sich auch auf Spohrs Kompositionsstil ausgewirkt. Ebenfalls ist der Einfluss von dem sonst nicht gerade geliebten Rossini in dieser Oper unüberhörbar. Spohr schreibt in seinen
Lebenserinnerungen:
„Dazu kam, dass ich über vier Sänger […] zu disponieren hatte, die bedeutende Kehlfertigkeiten besaßen. So erklärt sich, dass die Musik zu Zemire und Azor so viele Koloraturen und Gesangsverzierungen in den Partien der drei Schwestern und der des Azor enthält.“ [12]
Spohrs fünfte Oper wurde am 4. April 1819 in Frankfurt mit großem Erfolg uraufgeführt. Weitere Aufführungen fanden in Amsterdam, Leipzig, München, Wien, Königsberg, Kassel, Weimar, in Lille auf Französisch, in Stockholm auf Schwedisch und in London auf Englisch statt.
Der Vater von Zemire, der Kaufmann Sander, hat zusammen mit seinem Diener Ali Schiffbruch erlitten. Sie haben Schutz gesucht in einer leeren Halle von Azors Palast. Dort pflückt Sander eine Rose, die er seiner Tochter mitbringen will. Dieser Blumendiebstahl löst eine Kettenreaktion aus: Ein Chor unsichtbarer Geister – und schließlich der verzauberte Prinz Azor selbst – wollen den Rosendieb bestrafen. [13]
Im Jahre 2005 hat in New York die Opernabteilung der Manhattan School of Music Zemire und Azor unter dem Titel Beauty and the Beast in deutscher Sprache, mit englischen Dialogen inszeniert und eine Gesamtaufnahme auf CD produziert. [14]
„Ich finde die Oper herrlich. Aber natürlich habe ich sie in meinen jungen Tagen kennen gelernt und sie berührt mich in derselben Weise wie meine anderen jugendlichen Schwärmereien. Jessonda hat mein Herz erobert und ich werde für den Rest meines Lebens so für sie fühlen.“
Ja, tatsächlich: Es war Johannes Brahms, der sich zu dieser bewundernden Schwärmerei nach einer Aufführung von Spohrs OperJessonda in Wien hat hinreißen lassen! Sie ist in der Brahms-Biographie von Max Kalbeck. S. 143, herausgegeben von der Deutsche Brahms Gesellschaft, Berlin 1915, zu finden.
Der Kasseler Spohr-Forscher Dr. Wolfram Boder beschreibt Jessonda in seinem Standardwerk Die Kasseler Opern Louis Spohrs [15] als eine auch musikalisch beispielhaft spannende Geschichte um Toleranz und Völkerverständigung, die dem fortschrittlich gesinnten Freimaurer Louis Spohr als Opernstoff sehr geeignet erschien.
Das Libretto von Eduard Gehe basiert auf dem französischen Schauspiel La veuve de Malabar von Antoine-Marin Lemierre. Der Schauplatz derOper ist Goa im 16. Jahrhundert während der Kämpfe zwischen Indien und den portugiesischen Eroberern.
Gemäß einer indischen Tradition soll Jessonda als Witwe eines verstorbenen Rajahs mit der Leiche ihres Ehemannes verbrannt werden. Der portugiesische General Tristan d’Acunha, der sich mit seinen Soldaten der Stadt nähert, glaubt, es handele sich um eine harmlose religiöse Zeremonie. Um nicht zu stören, schließt er für deren Dauer einen Waffenstillstand mit dem Oberpriester Dandau. Doch dann erkennt er den wahren Charakter der Zeremonie und muss entdecken, dass das Opfer seine verloren geglaubte Jugendliebe Jessonda ist. Dass Jessonda gerettet werden kann und das Ende versöhnlich ist, verdankt sich schließlich der einsichtigen Haltung auf beiden Seiten.
Wie später Richard Wagner, verstand Spohr seine Oper als „Gesamtkunstwerk“, in dem Sprache, Musik und Szene gleichberechtigt nebeneinander stehen. Er verwendet Leitmotive, und mit seiner durchkomponierten Form betritt er Neuland in der deutschen Opernkomposition. Das Ergebnis ist eine romantische Oper mit großen Ballettszenen und effektvollen Chören, die zur damaligen Zeit riesige Begeisterungsstürme beim Publikum auslösten.
Nicht zuletzt zu verdanken war das den prunkvollen Bühnenbildern, den für damalige Verhältnisse sensationellen optischen Effekten und dem exotischen Schauplatz. Schon bald nach der erfolgreichen Uraufführung 1823 stand Spohrs erste „Kasseler Oper“ auf den Spielplänen in ganz Deutschland sowie in vielen Städten Europas und mehrte den Ruhm Spohrs als einen der führenden deutschen Opernkomponisten, der die Musikdramen Richard Wagners vorbereitend beeinflusst hat.
Wie wichtig das Werk für die Entwicklung der romantischen Oper war, zeigen nicht zuletzt Jessonda-Anklänge in Richard Wagners Werken, der diese Oper in Magdeburg und Riga dirigiert hatte, sich später allerdings ziemlich abfällig über sie geäußert hat.
Hingegen setzte sich der „Jessonda-Fan“ Johannes Brahms noch 1881 für den Neudruck der Partitur beim Verleger Peters ein.
Carl Maria von Weber hatte bereits 1824 die Jessonda mit der berühmten Wilhelmine Schröder-Devrient in der Titelpartie in Dresden dirigiert. Ein Jahr später, am 25. März 1825, fand die Berliner Premiere von Jessonda statt, mit dem Komponisten am Pult. Das Werk blieb auch später im Repertoire. Freund Meyerbeer besuchte 1848 drei Vorstellungen am 24. und 28. Mai sowie am 4. Juni und zeigte sich begeistert. Der überwältigende Erfolg der Jessonda in Berlin veranlasste den General-Intendanten Graf Brühl an Louis Spohr einen Kompositionsauftrag zu vergeben – für eine Bühnenmusik mit Orchester zu einer Neuübersetzung von Shakespeares Macbeth durch den Königlichen Hofbibliothekar und Schriftsteller Dr. Samuel Heinrich Spiker. Die Premiere fand am 15. Dezember 1825 statt. Diese Schauspielmusik für großes Orchester ist insofern für unseren Opernvortrag von Bedeutung, als Spohr in Berlin durch die Bekanntschaft mit Spiker einige Werke des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving kennengelernt hat. Spiker hat sieben Bände von Irvings Werken ins Deutsche übertragen, darunter Bracebridge Hall 1823 – bereits ein Jahr nach dem Erscheinen des amerikanischen
Originals. Darin ist die Erzählung Der Student von Salamanca enthalten, die literarische Vorlag für Spohrs spätere Oper Der Alchymist.
Jessonda war bis 1933 Bestandteil der Spielpläne an vielen deutschen und europäischen Opernhäusern.
Das änderte sich erst, als die Nationalsozialisten die Oper des Freimaurers Louis Spohr von den deutschen Spielplänen
verbannten, weil sie in Jessonda eine „Verherrlichung der Rassenvermischung“ sahen. Ähnlich erging es Spohrs Oper Der Alchymist. Hier wurde bemängelt, dass die Zigeuner in dieser Oper „zu positiv“ dargestellt waren.
Auch Der Alchymist wurde mit einem Aufführungsverbot belegt.
Wieder gespielt wurde Jessonda erst nach dem 2. Weltkrieg in der Eröffnungsspielzeit des neuen Staatstheaters Kassel 1959/60. Die erste Gesamtaufnahme auf CD von Jessonda stammt aus dem Jahre 1985. In Wien hat Gerd Albrecht mit dem Chor und Orchester des ORF und den Sängern Cheryl Studer, Doris Soffel, Thomas Moser und Roland Herrmann die Jessonda konzertant beim Label Voce-106 auf zwei LPs eingespielt. Im Juli 1990 folgte dann, wiederum mit Gerd Albrecht als Dirigenten, die Hamburger
Live-Aufnahme der Oper Jessonda mit dem Label ORFEO. Die Besetzungsliste nennt so bekannte Sänger wie Julia Varady in der Titelpartie, Renate Behle als Jessondas Schwester Amazili, Kurt Moll als konservativen Führer der Brahmanen Dandau, Thomas Moser als aufgeklärten, toleranten Brahmanen Nadori, Dietrich Fischer-Dieskau als portugiesischen Feldherr Tristan d’Acunha und Peter Hage als portugiesischen Offizier Pedro Lopes. Diese Einspielung mit dem Chor der Hamburgischen Staatsoper und dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg ist seit einem Vierteljahrhundert die einzig verfügbare Gesamtaufnahme auf CD.
Es gibt drei musikalische Grundthemen in Jessonda: das Eid-Motiv, das Thema des aufgeklärten Nadori und das Thema der Liebe Nadoris. Dazu kommen weitere Motive, z.B. das der Jessonda in ihrer letzten Arie, wenn sie ihre Todes-Resignation überwunden hat, weil ihr Geliebter Tristan zur Rettung naht. Mutig bäumt sie sich gegen ihr Schicksal auf. In der Ouvertüre erklingt das Jessonda- Motiv bereits als zweites Thema.
Zum Abschluss unseres kleinen Streifzuges durch Jessonda möchten wir drei Beispiele vorstellen, die zeigen, dass Louis Spohr durchaus als Wegbereiter für Richard Wagner gelten kann.[16]
Und nun wieder zurück zu Jessonda – uraufgeführt 17 Jahre nach dem
Streichquartett op. 4 Nr. 1. [17]
Das nächste Beispiel ist die Todverkündung im Finale des ersten Aktes derOper. Nadori (Thomas Moser) überbringt als Todesbote die Nachricht, dass Jessonda zusammen mit ihrem toten Ehemann auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden soll: „So wie das Rohr zerbrach, das Linnentuch zerriss, der Flamme Licht verging, vergeh’ nach heil’gem Brauch, dein Leben auch. Sobald aus Meeresfluten der nächste Morgen steigt, sollst du in Feuersgluten…“.
Hier bricht Nadori ab, geblendet und fasziniert von der Schönheit Amazilis, Jessondas Schwester, in die er sich sofort verliebt, wie die Musik eindeutig kommentiert.
Bemerkenswert ist vor allem der Einsatz der den Tod verkündenden Pauken in dieser Szene. Und im Vergleich dazu die Todverkündigung aus Richard Wagners Die Walküre, 2. Akt. [18]
Wie in Jessonda (Uraufführung 1823) verkünden auch in der Walküre (Uraufführung 1870) die Pauken den bevorstehenden Tod.
Die große Popularität von Spohrs Jessonda zeigt sich u.a. auch in einem Deckengemälde im Foyer der Wiener Staatsoper, mit einer Szene aus Jessonda, die von dem österreichischen Maler und Zeichner Moritz von Schwind entworfen wurde. Auf ganz anderem Wege rettete sich Spohrs Jessonda später ins 20. Jahrhundert: Die Titelfigur gab einem Asteroiden (einem Kleinplaneten) den Namen. Der Asteroid wurde am 15. November 1904 von dem deutschen Astronomen und galaktischen Astrophotographen Maximilian [Franz Joseph
Cornelius] Wolf entdeckt und benannt. Der Asteroid Jessonda hat einen mittleren Durchmesser von 18,8 km und befindet sich im Asteroidengürtel des Sonnensystems zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter.
Das Libretto zu seiner nächsten Oper Der Berggeist WoO 54, einem Rübezahl- Stoff, stammt aus der Sammlung Die Volksmärchen der Deutschen von Johann Karl August Musäus. Man kann bei dieser Oper eine bedeutende, kompositorische und formale Entwicklung feststellen: Die Themenarbeit ist noch ausgefeilter als bei Jessonda, Spohr komponiert keine Nummern-Oper, sondern ganze Szenen – und ist offenbar auf dem Wege zum Musikdrama.
Die Uraufführung der Oper, ein Auftragswerk für die Hochzeit der Prinzessin Marie, der Tochter des hessischen Kurfürsten, war für den 24. März 1825 bestimmt.
An einem Beispiel wollen wir zeigen, wie wirkungsvoll diese Oper ist: Die Hochzeit Almas mit ihrem geliebten Oskar soll in wenigen Stunden stattfinden. Aber der Berggeist Rübezahl, verkleidet als Bergwerksarbeiter, kommt aus dem nahegelegenen Schacht und will Alma, in die er sich unsterblich verliebt hat, in sein Geisterreich entführen, was ihm – zum Entsetzen der Schlossbewohner und Landleute – schließlich auch gelingt: „Mich umflüstern böse Geister!“ [19]
Selten hat Spohr mit so feinem musikalischen Esprit und Humor komponiert wie in dieser „Blumenzahl“-Oper … Ja, Rübezahl, der Berggeist, muss hier nämlich keine Rüben zählen, sondern Hunderte und Tausende von verschiedenen Blumen, um das geliebte Menschen-Mädchen Alma zu gewinnen. Seine „Blumenarie“ ist von Spohr mit viel Humor komponiert
worden.
Diese Oper sollte unbedingt wieder in das deutsche Opernrepertoire aufgenommen werden. Mit einigen Retuschen im Libretto und dramaturgischen Umstellungen könnte sie für das Musiktheater unserer Tage gerettet werden. Eine musikalisch geistreiche und witzige Märchenoper für die ganze Familie. Es muss ja nicht immer Humperdincks Hänsel und Gretel sein …
Mit seiner nächsten Oper greift Spohr ein ungewöhnlich brisantes Thema auf.
"[…] Wo aber, wie in Pietro von Abano fleischliche Lüste mit einer Leiche getrieben
werden sollen, welche – durch Zauberei eines schändlichen Menschen – auf
eine kurze Zeit zum Schein belebt wird, wo folglich das Unnatürlichste und
Widrigste zur Sprache kommt, kann dies nur den größten Abscheu erregen. Verzeihen
Sie mir, werter Herr Kapellmeister, dass ich mich so entschieden und hart
hierüber ausspreche; ich kann aber nicht umhin zu sagen und zu behaupten, dass
dies die theatralische Licenz überschreitet, indem es wahrhaft ruchlos wird, und
ohne ein religiöser Schwärmer oder Katholik zu sein, kann ich doch auch diese
Mischung von Ruchlosigkeit und religiösen Ceremonien durchaus nie und unter
keinem Vorwande gut heissen." [20]
Das schrieb Graf Brühl, General-Intendant der Königlichen Theater in Berlin, an den Komponisten Louis Spohr und weigerte sich, eine Aufführung der neuen Oper Spohrs in Berlin anzusetzen. Er nannte dafür moralischethische Gründe, die er in einem Brief an den Komponisten vom 13. März 1828 zum Ausdruck brachte. Spohr antwortete, dass es ihm unmöglich sei, die sogenannten „anstößigen“ Szenen aus der Oper zu entfernen. [21]
Louis Spohrs spannende Oper basiert auf Ludwig Tiecks Eine Zaubergeschichte. Das Libretto stammt von Karl Pfeiffer (1803–1831), dem Bruder von Spohrs zweiter Frau Marianne Pfeiffer. Die erste Vorstellung der Oper Pietro von Abano (WoO 56) fand am 13. Oktober 1827 in Kassel statt.
Spohr zeigt in dieser Oper (wie auch Carl Maria von Weber im Freischütz) eine „Beschädigung der bürgerlichen Welt“, doch hier wird diese nicht in eine „Wolfsschlucht“ abgeschoben, wo das Publikum sie vielleicht noch ertragen
kann, sondern sie findet im Hause eines Mediziners und Gelehrten statt, dem zukünftigen Rektor der Universität von Padua. Pietro wahrt nach außen hin den schönen, bürgerlichen Schein. Seine Zauberkünste und Perversionen übt er im Verborgenen aus.
Spohrs Pietro von Abano ist in unserer Zeit nur in England und Italien aufgeführt worden. Eine Wiederentdeckung steht auf deutschen Opernbühnen immer noch aus.
Was die Gemüter damals so erregte, ist die Geschichte eines Zauberers und Arztes, der die von ihm begehrte, aber inzwischen verstorbene Cäcilie in einer gespenstischen Beschwörungsszene zum Scheinleben erweckt, um an ihr seine sexuellen Gelüste zu befriedigen. Der Frevel wird jedoch vom Verlobten Cäcilies, Antonio, aufgedeckt. Pietro, der im Dom von Padua zum Universitätsdirektor geweiht werden sollte, wird gelyncht. Cäcilie findet endlich ewige Ruhe und Antonio meint, sein Glück mit ihrer Zwillingsschwester Rosa doch noch finden zu können.
Giacomo Meyerbeer hat am 4. März 1828 nach dem Partitur-Studium von Spohrs neuer Oper einen begeisterten Brief an ihn geschrieben mit dem Wunsch, „einer Aufführung des Meisterwerks beizuwohnen“ wie Spohr in seiner Selbstbiographie, erschienen in Kassel 1861 (S. 176, Bd. 2) berichtet. Auch hat er sich enthusiastisch über Spohrs Gestaltung der angeblich „anstößigen“ Szene geäußert. Und in der Tat: Sie gehört zu dem Genialsten, was in der frühen romantischen Oper entstanden ist.
Am 4. Juni 1828 erschien in der Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung und in dem Berliner Conversations-Blatt eine aufschlussreiche Anzeige des Komponisten:
Den verehrlichen Intendanzen und Directionen deutscher Theater macht der
Unterzeichnete ergebenst bekannt, dass seine neueste Oper Pietro von Abano wie
die früheren, auf rechtlichem Wege nur bei ihm zu bekommen ist und fügt dieser
Anzeige die Nachricht bei, dass von dem Buch derselben für solche Städte,
wo der kirchliche Aparat der Oper Anstoss erregen könnte, eine neue Bearbeitung
– wo dieser wegfällt – gemacht wurde; die auch bereits eine katholische
Zensur passirt ist. […] Cassel, im Mai 1828: Louis Spohr.
Bisher gibt es keine Gesamtaufnahme des Pietro von Abano, aber die Ouvertüre ist von Christian Fröhlich und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin eingespielt worden. [22]
Spohrs nächste Oper Der Alchymist WoO 57 basiert auf einer Novelle des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving, geboren 1783 in NewYork, der von der Literaturwissenschaft als der Erfinder der short story bezeichnet worden ist. Es spricht für den literarischen Sachverstand des Komponisten Spohr, dass er die Wirkung dieses Schriftstellers schon früh erkannt hat und eine Geschichte aus dessen Sammlung Bracebridge Hall für ein Opernlibretto auswählte: The Student from Salamanca. Im Oktober 1829 begann Spohr mit der Komposition, die ein Jahr später zum Geburtstag des Kurfürsten am 28. Juli 1830 in Kassel mit großem Jubel uraufgeführt wurde.
Irving lässt die Handlung zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Granada spielen. Hier der Inhalt der Oper in Kurzform:
Inez, die Tochter des Alchymisten Don Felix de Vasquez, wird von dem gewalttätigen, skrupellosen Don Ramiro begehrt, obwohl sie dem jungen Edelmann Don Alonzo ihr Herz geschenkt hat, nachdem er ihren Vater aus dem Brand seines Labors gerettet hat. Ramiro schafft es durch seine Intrigen, Inez zu entführen und ihren Vater der Inquisition zu übergeben, die ihn zum Tode verurteilt.
Mit seiner bedingungslosen Forderung nach absoluter Freiheit in Wissenschaft und Forschung ist der Alchemist unter den Verdacht der Inquisition geraten. Doch Alonzo kann mit Hilfe Paolas, einer aus einem edlen maurischen Geschlecht stammenden ehemaligen Geliebten Ramiros, alles zum Guten wenden und Inez und ihren Vater befreien; Ramiro wird im Zweikampf besiegt.
Die Romanza con coro Nr. 14 der Paola hat eine zentrale Bedeutung für die Oper, weil Paola jetzt aktiv in die Handlung eingreift. Sie singt diese Romanze auch, weil sie damit auf eine alte maurische Erzählung Bezug nimmt. Mit ihrem beschwörenden Ruf „Abuhamet“ wird ein angesehener Schriftsteller, Rechtsgelehrter und Mystiker des islamischen Rechts und der islamischen
Dogmatik zitiert. Dass in der Romanza con coro ein musikalisches Motiv vorkommt, das aus
einem viel später entstandenen Musikdrama eines Komponisten bekannt ist, wird man nicht ignorieren können. [23]
Am 5. Juni 1843 führte Spohr Richard Wagners Der fliegende Holländer mit großem Erfolg am Kasseler Hoftheater als zweite deutsche Bühne, nach der Uraufführung in Dresden, auf.
Die zeitliche Nähe der Holländer-Aufführung zum Beginn der Arbeit an seiner zehnten Oper Die Kreuzfahrer WoO 59 ist auffällig. 13 Jahre lang hatte der Komponist keine Opernpläne mehr verwirklichen wollen. Aber nun, beflügelt durch den Fliegenden Holländer, so darf man annehmen, setzte er sich noch einmal mit einem Opernstoff auseinander. Spohr hat sich das schon fast vergessene
Schauspiel Die Kreuzfahrer von August von Kotzebue ausgewählt und zusammen mit seiner Frau Marianne zu einem Opernlibretto gestaltet. Zum ersten Mal wird der Komponist bei dieser Oper als sein eigener Librettist genannt.
Am Neujahrstag des Jahres 1845 kam es im Kasseler Hoftheater zur erfolgreichen Uraufführung.
Schon am 26. Juli 1845 fand die Berliner Erstaufführung statt – auf Empfehlung von Giacomo Meyerbeer – mit dem Komponisten am Pult.
Meyerbeer hatte die Aufführung musikalisch „premierenreif“ vorbereitet, so dass Spohr erst zu den Endproben nach Berlin kommen musste.
Die herzliche Freundschaft der beiden Komponistenkollegen ist in einem Autograph Meyerbeers mit dem Titel „Dem Meister des deutschen Liedes ein deutsches Lied“ – aufbewahrt in der Bibliothèque nationale in Paris – dokumentiert.
Der vierstimmige Männerchor trägt den Vermerk Meyerbeers: Lied von mir, welches ich zur Verherrlichung Spohrs bei dessen Anwesenheit in Berlin componierte. [24]
Mit seiner letzten Oper hat Spohr noch einmal neue Wege beschritten. In dem von ihm formulierten Bestreben, „wahr im Ausdruck und echt dramatisch“ zu sein, verzichtet er auf die sonst opern-üblichen Text- oder Wortwiederholungen und Koloraturen, er komponiert die Oper durch und entwickelt auch die Arbeit an seiner Leitmotivtechnik differenziert und konsequent weiter. Damit bewegt sich der Komponist eindeutig in Richtung des Musikdramas. Im Textbuch lesen wir:
Der Schauplatz, bald im Lager der Kreuzritter vor Nicäa, bald in oder vor einem nahegelegenen Kloster der Hospitaliterinnen. Zeit: das Jahr 1097.
Aus diesen Angaben im Textbuch der Oper (Aubel’sche Buchdruckerei, Kassel 1845) ist festzustellen, dass es sich um eine Geschichte vor tatsächlichem, historischem Hintergrund handelt. Die Belagerung Nicäas fand während des Ersten Kreuzzugs vom 14. Mai bis 19. Juni 1097 statt. In vielen katholischen Städten Deutschlands hat die Zensur Anstoß am Libretto genommen und Aufführungen der Oper unterbunden, was die Wirkungsgeschichte des Werkes entscheidend beeinträchtigt haben dürfte. Vor allem, dass in dieser Oper das Thema „Christentum und Toleranz gegenüber Andersgläubigen“ behandelt wird, hat die konservativ-katholischen
Gemeinden aufgeregt. Und auch, dass ausgerechnet „ungläubige“ Türken eine katholische Novizin aus einem Kloster retten, die von der Äbtissin zum Tode verurteilt worden war, das konnte auf keinen Fall akzeptiert werden.
Wieder einmal hat Spohr mit einer Oper gesellschaftliche und religiöse Tabus verletzt.
Ob auf Veranlassung Richard Wagners die plötzliche Absage der geplanten und bereits terminierten Aufführung der Kreuzfahrer in Dresden stattfand, ist nicht belegt, darf aber vermutet werden. [25]
Die Korrespondenz zwischen dem Generalintendanten des Sächsischen Hoftheaters in Dresden, Wolf Adolf August von Lüttichau, und dem Komponisten gibt Aufschluss darüber, dass Spohr von der rüden Absage schwer getroffen war, aber dass er auch mutig genug war, ziemlich scharf zu antworten:
„Es bleibt mir daher die Kränkung, die mir widerfahren ist, völlig unerklärlich und ich muss mich mit dem Gedanken trösten, daß es die einzige der Art in meinem langen Künstlerleben war, und mich freuen, nicht unter einer Intendanz zu stehen, die das Ehrgefühl der Künstler so wenig zu schonen versteht […].“ [26]
Lüttichau hatte Spohr am 5. März 1846 geschrieben und seine Absage begründet:
Zuvörderst ist der erste Reiz der Neuheit, welchem dieselbe nun schon in Berlin
dargestellt worden, für das hiesige Publikum vorüber, und dann habe ich mich
[…] immer mehr überzeugt, dass der kirchliche Stoff desselben für die hiesige
Königl. Bühne […] keineswegs vorteilhaft seyn dürfte. [27]
Louis Spohrs Oper Die Kreuzfahrer endlich wieder aus der Versenkung zu holen und sie für ein neues Bühnenleben zu reanimieren: das wäre mit Sicherheit eine Bereicherung für einen ambitionierten und einfallsreichen Opern- Spielplan; das gilt auch für die anderen Opern des Komponisten, vor allem für Pietro von Abano und Der Berggeist.
Wir hoffen, dass wir mit diesem Streifzug durch Louis Spohrs vielseitiges Opernschaffen vermitteln konnten, dass es unbedingt an der Zeit ist, diesen spannenden Opernkomponisten wieder zu entdecken.
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Die Opuszahlen und Werke ohne Opuszahl WoO wurden entsprechend
dem Werkverzeichnis angegeben, das der Spohr-Forscher Folker Göthel im
Verlag Hans Schneider herausgegeben hat:
Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr. Tutzing, 1981.
Literaturverzeichnis
Altmann, Wilhelm 1904: Spohrs Beziehungen zur Generalintendantur der Königl. Schauspiele zu Berlin, in: Neue Zeitschrift für Musik Jg. 71, Bd. 100, 1904, S. 199–202.
Boder, Wolfram 2007: Die Kasseler Opern Louis Spohrs. Musikdramaturgie im sozialen Kontext. Kassel u.a.
Becker, Heinz 1957: Meyerbeers Beziehungen zu Louis Spohr. In: Musikforschung X.
Meyerbeer, Giacomo 1975: Briefwechsel und Tagebücher. Bd. 3: 1837–1845. Hg. von
Heinz Becker u. Gudrun Becker. Berlin.
Spohr, Louis 1968: Lebenserinnerungen. Erstmals ungekürzt nach den autographen
Aufzeichnungen hg. von Folker Göthel. Tutzing.
Spohr, Louis 1961: Selbstbiographie, Bd. 1 u. 2, Cassel und Göttingen.
Stoker, Bram 2008: The new annotated Dracula. Hg. Leslie S. Klinger. New York u.a.
Weber, Carl Maria von 1908: Einführungen und „Dramatisch-musikalische Notizen“. 1816. Faust, Oper von Spohr, in: Sämtliche Schriften, Hg. G. Kaiser, Berlin und Leipzig,
S. 273–275.
Internetquelle:
Spohr-Briefe. Online Edition, hg. von Karl Traugott Goldbach, Kassel. www.spohrbriefe.de
Fußnoten:
1 Stoker 2008, S. 161.
2 Spohr 1968, Bd. 1, S. 3.
3 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Ouvertüre Die Prüfung. Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
(Dirigent Christian Fröhlich): Louis Spohr Ouvertüren. Label: 999 093-2, 1993.
4 Spohr 1968, Bd. 1, S. 115.
5 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Ouvertüre zu Alruna, die Eulenkönigin, op. 21. Die gedruckte
Ouvertüre ist dankenswerterweise eingespielt worden, so dass das Hörbeispiel einen kleinen
Eindruck von Spohrs Geister-Oper vermitteln kann. Wieder ist es der Spohrexperte Christian
Fröhlich, der das Radio-Sinfonieorchester Berlin dirigiert: Louis Spohr Ouvertüren. Label:
cpo 999 093-2, 1993.
6 Louis Spohr, Ouvertüre Der Zweikampf mit der Geliebten. Label: Hyperion CDA67802, 2011.
7 Spohr 1968. Bd. 1, S. 171.
8 Diese erste Szene wurde aus einem Livemitschnitt von Radio Berlin vom 20. Februar 1992 als Hörbeispiel präsentiert. Louis Spohr Faust. Gesamtaufnahme (gekürzt). Label: House of Opera CD10427, 1992. Dietrich Fischer-Dieskau singt den Faust, Harald Stamm den Mephistopheles. Mit Beatrice Haldas: Kunigunde, Gabriele Schreckenbach: Röschen, Rüdiger Wohlers: Graf Hugo, Horst Laubenthal: Franz, Marga Schiml: Hexe Sycorax. Roland Bader dirigiert das Radio-Sinfonieorchester Berlin.
9 Weber 1908.
10 An dieser Stelle erklang als Hörbeispiel der berühmte Bariton, der diese nachkomponierte
Arie mit Fabio Luisi und dem Münchner Rundfunkorchester eingespielt hat: Thomas Hampson.
German Opera Arias. Rezitativ und Arie des Faust von Louis Spohr. Label: EMI Classics
5 55233 2, 1995.
11 In einem weiteren Hörbeispiel erklang das Finale der Oper mit Bo Skovhus als Faust, Franz
Hawlata als Mephistopheles, in einer Einspielung mit dem Südfunkchor Stuttgart und dem
Rundfunkorchester des Südwestfunks Kaiserslautern. Die musikalische Leitung hat Klaus
Arp: Louis Spohr Faust. Gesamtaufnahme. Label: Capriccio 60 049-2, 1994.
12 Spohr 1968, Bd. 2, S. 51–52.
13 Hörbeispiel der entscheidenden Szene aus dem ersten Akt: Aufnahme des Theaters Nordhausen aus dem Jahre 1996; es spielt das Loh-Orchester Sondershausen. Die musikalische Leitung hat Anton Kolar: Louis Spohr Zemire und Azor Gesamtaufnahme. Label: Deutsche
Schallplatten GmbH Berlin DS 1064-2, 1996.
14 Louis Spohr. Beauty and the Beast. Zemire und Azor. Gesamtaufnahme. Label: Albany Records
TROY787-788.
15 Boder 2007, Bd. 1, S. 86; 153ff.
16 Hörbeispiel: Ausschnitt aus dem Adagio des Streichquartetts in C-Dur op. 4 Nr. 1 mit einem
Motiv, das 50 Jahre vor Wagners Kompositionsskizzen zu Tristan und Isolde in den Jahren
1804–05 entstanden ist. Label: Marco Polo 8.223253
17 Hörbeispiel: das einleitende Thema zum Rezitativ Nr. 6 aus dem ersten Akt mit den beiden
Schwestern Amazili und Jessonda: „O Schwester, stille deine Thränen“. Wagners Tristan-
Motiv ist hier bereits ‚voraus geahnt‘. Label: ORFEO C240912H
18 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Live-Gesamt-Aufnahme von 1999 des Staatstheaters Kassel.
Die Brünnhilde ist Susan Owen, Roberto Paternostro dirigiert das Orchester des Staatstheaters
Kassel: Richard Wagner Die Walküre. Gesamtaufnahme. Label: ARS 38 052, 2007.
19 Hörbeispiel: Ausschnitt aus dem ersten Finale, mit einer Musik, die zum Teil an Jacques Offenbach erinnert. Susanne Bernhard: Alma; der Tenor Dan Karlström: Oskar; Eduard Tsanga:
Der Berggeist. Chor des polnischen Rundfunks Krakau, Camerata Silesia. Es spielt das polnische
Radio-Orchester unter der Leitung von Lukasz Borowicz in einer konzertanten Live-
Aufnahme vom 8. April 2009: Louis Spohr Der Berggeist. Gesamtaufnahme. Label: House of
Opera CD95147, 2009.
20 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?&m=1828031344 14.11.2016, Abruf: 24.8.17.
21 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1828021014 14.11.2016, Abruf: 24.8.17.
Siehe auch: Altmann 1904. Das dort angegebene Datum der Berliner Erstaufführung der Oper
Die Kreuzfahrer ist fehlerhaft. Es muss heißen: 26. Juli 1845, nicht: 1848.
22 Hörbeispiel: Ausschnitt aus der Ouvertüre. Louis Spohr Ouvertüren. Label: cpo 999 093-2, 1993.
23 Hörbeispiel: CD Live-Mitschnitt aus einer Aufführung des Staatstheaters Braunschweig vom
24. Mai 2009 mit Susanna Pütters als Paola, dem Chor und Orchester des Staatstheaters
Braunschweig. Die musikalische Leitung dieser ersten Gesamtaufnahme, in der Bernd Weikl
die Titelpartie singt, hat Christian Fröhlich. Das Magazin FonoForum schrieb dazu: „Die Musik
klingt ungemein frisch, reich und fein differenziert und ist – in der dramaturgisch interessanten
Abfolge von Melodram, Arie, Szene, Dialog, Rezitativ, Chöre – immer wieder für Überraschungen
gut. Christian Fröhlich ist hier in seinem Element, und das Wiederhören mit Bernd
Weikl wird zu einem Höhepunkt der Einspielung.“: Louis Spohr Der Alchymist. Gesamtaufnahme.
Label: Oehms Classic OC 923, 2009/2011.
24 Meyerbeer, 1975; Bd. 3, S. 805.
25 Boder 2007; Bd.1, S. 342-343
26 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846030545 29.8.2017, Abruf: 1.9.17
27 http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846032315 29.8.2017, Abruf: 1.9.17
Unser Artikel ist erschienen im SPOHR Jahrbuch 2017 (1. Jahrgang), Weidler Buchverlag Berlin. ISBN 978-89693-687-5.
Herausgegeben von der Stadt Braunschweig - in Zusammenarbeit mit der Internationalen Louis Spohr Gesellschaft e.V., der Braunschweigischen Louis Spohr Gesellschaft e.V. und der
Spohr Society of the United States of America. Redaktion: Dr. Hans Krauss, Braunschweig.
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Louis Spohrs Oper DER ALCHYMIST beruht auf einer Novelle des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving, 1783 in New York geboren, der von der Literaturwissenschaft als der Erfinder der short story bezeichnet worden ist.
Es spricht für den literarischen Sachverstand des Komponisten Spohr, dass er die Wirkung dieses Schriftsteller schon früh erkannt hat und eine Geschichte aus dessen Sammlung Bracebridge Hall für ein Opernlibretto auswählte: The student from Salamanca.
Im Oktober 1829 begann Spohr mit der Komposition, die ein Jahr später, zum Geburtstag des Kurfürsten am 28. Juli 1830 in Kassel mit großem Jubel uraufgeführt wurde.
Der international bekannte Dirigent Christian Fröhlich (Foto), der sich besonders auch um den Komponisten Spohr verdient gemacht hat, ist der Dirigent der ersten Gesamtaufnahme der Oper DER ALCHYMIST - eine Produktion des Staatsthers Braunschweig.
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Our Spohr-Youtube -Videos with Christian Fröhlich
conducting the Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin
> Louis Spohr Overtures < had to be changed from "public" to "private"
due to copyright issues of Naxos America on behalf of CPO !
These former "public" videos are now blocked.
You are able to watch and hear these private listed Spohr recordings with these links,
but you have to log in to your youtube-account (it is free):
1. Louis Spohr: Overture DIE PRÜFUNG Op. 15a
https://www.youtube.com/watch?v=8I_-Il5l_GE
2. Louis Spohr: Overture PIETRO VON ABANO WoO 56
https://www.youtube.com/watch?v=pRl5JUC09rk&t=2s
3. Louis Spohr: Overture MACBETH Op.75
https://www.youtube.com/watch?v=mqTYkkv_Hos
4. Louis Spohr: Overture ALRUNA DIE EULENKÖNIGIN Op. 21
https://www.youtube.com/watch?v=e6V9x5vRRkc
5. Louis Spohr: Overture DER BERGGEIST WoO 54
https://www.youtube.com/watch?v=gdJTF1D_5Xg
6. Louis Spohr : Overture FAUST
https://www.youtube.com/watch?v=D7ydOuUzDkU
7. Louis Spohr : Overture JESSONDA
https://www.youtube.com/watch?v=HvH4PBhWo2A
The conductor Christian Fröhlich: Concert at the beautiful Wieskirche / Bavaria.
Youtube: A portrait of the German conductor Christian Fröhlich
https://www.youtube.com/watch?v=okHUHyJGg-U
Due to copyright issues the music of Louis Spohr is not available in this video. But if you go to youtube .com @ Christian Froehlich you can listen to many works by Louis Spohr, included his Violin Concerto No. 8, the Overture to "Macbeth", scenes from his opera "Der Alchymist" and much more. For example:
Der Alchymist: Act II: Abuhamet (Paola, Zigeuner, Inez, Chorus)
https://www.youtube.com/watch?v=Zbmk6rkf3PE
Louis Spohr: MACBETH Overture Op.75
https://www.youtube.com/watch?v=mqTYkkv_Hos
Violin Concerto No. 8 in A Minor, Op. 47, "in modo di scena cantante"
https://www.youtube.com/watch?v=B6HNQioFUQk
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Youtube: A portrait of the German conductor Christian Fröhlich
https://www.youtube.com/watch?v=okHUHyJGg-U
Due to copyright issues the music of Louis Spohr is not available in this video. But if you go to youtube .com @ Christian Froehlich you can listen to many works by Louis Spohr, included his Violin Concerto No. 8, the Overture to "Macbeth", scenes from his opera "Der Alchymist" and much more. For example:
Der Alchymist: Act II: Abuhamet (Paola, Zigeuner, Inez, Chorus)
https://www.youtube.com/watch?v=Zbmk6rkf3PE
Louis Spohr: MACBETH Overture Op.75
https://www.youtube.com/watch?v=mqTYkkv_Hos
Violin Concerto No. 8 in A Minor, Op. 47, "in modo di scena cantante"
https://www.youtube.com/watch?v=B6HNQioFUQk
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Die Kasseler Opern Louis Spohrs
Musikdramaturgie im sozialen Kontext
von Dr. Wolfram Boder
Louis Spohr (1784–1859) galt seinen Zeitgenossen als eine der führenden Musikerpersönlichkeiten Europas und wird erst in letzter Zeit wieder entdeckt. Wolfram Boder stellt die politische und kulturelle Situation Kassels dar, wo Spohr als Hofkapellmeister arbeitete. Dort schrieb er seine Opern wie „Jessonda“ und „Die Kreuzfahrer“. Spohr war keineswegs der biedere Komponist, für den man ihn oft hielt. Boders Analysen zeigen, dass Spohrs hartnäckiges Beharren auf seinen humanitären und politischen Idealen auch die Dramaturgien seiner Opern prägt. Diese Monographie wird das herrschende Spohr-Bild nachhaltig beeinflussen.
Musikdramaturgie im sozialen Kontext
von Dr. Wolfram Boder
Louis Spohr (1784–1859) galt seinen Zeitgenossen als eine der führenden Musikerpersönlichkeiten Europas und wird erst in letzter Zeit wieder entdeckt. Wolfram Boder stellt die politische und kulturelle Situation Kassels dar, wo Spohr als Hofkapellmeister arbeitete. Dort schrieb er seine Opern wie „Jessonda“ und „Die Kreuzfahrer“. Spohr war keineswegs der biedere Komponist, für den man ihn oft hielt. Boders Analysen zeigen, dass Spohrs hartnäckiges Beharren auf seinen humanitären und politischen Idealen auch die Dramaturgien seiner Opern prägt. Diese Monographie wird das herrschende Spohr-Bild nachhaltig beeinflussen.